Archäologisches Lexikon

Slawische Funde aus Oberfranken
  
Frühes Mittelalter: 7.-10. Jh. n. Chr.
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Seit dem späten 8. Jahrhundert wurden vor allem in den Traditionen des Klosters Fulda immer wieder Orte im Maingebiet als in terra sclavorum" gelegen bezeichnet. Auf den ersten Blick überrascht es daher, dass gerade in diesem Gebiet slawische Ortsnamen kaum bezeugt sind. Dagegen liefert die Archäologie mit älterslawischer Siedlungskeramik des 8./9. Jahrhunderts aus eben dieser Region durchaus Belege für die Anwesenheit slawischer Gruppen in dieser Zeit. Nicht zuletzt dieser Umstand ist es, der die erste slawische Siedlung im Gebiet der Regnitzmündung als Zuwanderung in einen seit langem kontinuierlich besiedelten Raum ausweist. Die sprachwissenschaftliche Analyse des slawischen Namenmaterials zeigt weiter, dass schon bald darauf die Albhochflächen von slawischer Siedlung erreicht wurden.

Einer der wichtigsten Fundorte in der Regnitzfurche liegt bei Seußling, Lkr. Bamberg. Dieser Platz liefert nicht nur slawische Keramik in
ihrer für Nordbayern ältesten Prägung, sondern als einziger Ort auch zugehörige Befunde, die in noch ungeklärter Form mit Kult oder Bestattungsbrauch dieser Siedler verknüpft werden müssen. Der in grabartigen Gruben unterschiedlicher Ausrichtung deponierte Brandschutt mit einem großen Anteil durchglühter Rollsteine [Eisensandsteine; d. Verf.] könnte beispielsweise von einem Scheiterhaufen stammen. Es handelt sich um Zeugnisse der ersten Zuwanderergeneration des späten 7. oder beginnenden 8. Jahrhunderts. Bald danach benutzten auch die zugewanderten Siedler den Kirchhof um die Slawenkirche als Bestattungsplatz. [Dieses 'Gedankenkonstrukt' muss nun nach gründlicher Analyse des Materials aufgegeben werden - L. Werter in (3), S. 219].

Die zuletzt durch Radiokarbonanalysen belegte „lange Laufzeit" der so genannten karolingisch-ottonischen Friedhöfe und Gräberfelder in Nordostbayern unterstreicht ebenfalls die historischen Vorstellungen von einer unproblematischen, weil friedlichen Integration der slawischen Zuwanderer. Der Belegungsbeginn dieses Friedhofstyps ist in mehreren Fällen in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts anzusetzen. Er vereint gleichermaßen Merkmale des merowingischen Kulturkreises - Körperbestattung, Grabbau, Tracht, Kopfschmuckringe - und pagane („slawische“) Elemente wie Ortsrandlage ohne Kirche sowie späte Speise- und Waffenbeigabe.

Die Belegungsdauer dieser Gräberfelder reicht in einzelnen Fällen bis an die Gründung des Erzbistums Bamberg (1007). Sie setzt auch kaum vor den Friedhöfen um die frühen Kirchengründungen ein, die in vielen Fällen dann kontinuierlich bis in die Neuzeit hinein als Friedhöfe genutzt wurden, wie Amlingstadt und Seußling.
                            [Jochen Haberstroh in (1), S. 132 f.]

Literatur
(1) Edel und Frei – Franken im Mittelalter – Katalog zur  Landesausstellung
     2004 in Forchheim

(2)
J. Haberstroh, Ausgrabungen in der Krypta von St. Sigismund von Seußling,
     Gde. Altendorf, Lkr. Bamberg, Oberfranken. In: Das Archäologische Jahr
     in Bayern 1999, S. 96-99)

(3) L. Werther, Kirche - Friedhof - Siedlung. Archäologische Studien zur
     Entwicklung von Seußling (Oberfranken) zwischen Völkerwanderungszeit
     und Spätmittelalter; Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 52. 2011,
     181-372
[Ausführliche Darstellung der Befunde und Fundvorlage (Katalog)
     der archäologischen Untersuchungen an der Kirche St. Sigismund und in der
     Flur "Paint" -  Siedlungs- und Bauentwicklung]


Herrn PD Dr. Hans Losert von der Universität Bamberg wird für seine Bereitschaft herzlich gedankt, seine Unterlagen zur Verfügung zu stellen.


=>
  Mittelalterliche Siedlungsgeschichte in Nordbayern
       [Powerpoint-Präsentation von H. Losert]

=>  Mission und Christianisierung in Nordbayern
       [Powerpoint-Präsentation von H. Losert]

=>  Slawen am Obermain
       [Powerpoint-Präsentation von H. Losert]

 
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=>  Slawen am Obermain [Powerpt.-Präsent. von H. Losert]

=>  Slawen in Nordostbayern [Vikingnet]

=>  Zur 'terra sclavorum'        [nach Hans Losert]

=>  Das Brandgräberfeld von Großprüfening [Hans Losert]

   Abb. 1

Karte der slawischen Ortsnamen am Beispiel des
Landkreises Bamberg [aus Katalog (1), S. 133]

 

         Abb. 2

Frühslawische Siedlungskeramik von Seußling ("Paint"),
Gde. Altendorf, Lkr. Bamberg [aus Katalog (1), S. 132] 

 

            Abb. 3

Seußling ("Paint"),  Lkr. Bamberg: Frühmittelalterliche Keramik 
der Regnitzwenden [aus Haberstroh (2), Abb. 94]


        
Abb. 4
Krypta der Pfarrkirche St. Sigismund in Seußling,
Grabung 1999, Grafik: L. Werther [aus (3), Abb. 44, S. 333]


=>
 
Slawen in Nordostbayern  [
Roman Grabolle in Vikingnet]  

=>  Zur 'terra sclavorum' (nach Hans Losert)

=>  Mehr zur Slawenfrage in: Th. Gunzelmann,
       Die Dörfer der Pfarrei Kirchletten (ab S. 186)

=>  Das Brandgräberfeld von Großprüfening [Hans Losert]

=>  Artikel zu SLAWEN  [Wikipedia]

=>  Großmähren / Großmährisches Reich [Wikipedia]


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