Schläfenringe - Kopfschmuckringe - Ohrringe

Unterschiedliche Arten und Trageweise 


Teil der Trachtausstattung
Als Bestandteil der weiblichen Haartracht werden in der Regel ein Paar silberner oder bronzener 'Schläfenringe' seitlich des Schädels aufgefunden. Früher wies man diese generell den Slawen zu. Heute weiß man, dass derartige Ringe im frühen Mittelalter weit verbreitet waren, sowohl im alemannischen, fränkischen als auch im slawischen Raum.

Zur Typologie der Schleifen- und Hakenringe (Abb. 3)
Unter S-Schleifenringen  (SR) werden Stücke aus Silber- oder Bronzedraht, sehr selten auch aus Eisen (wie etwa in Alladorf, Grab 63) zusammengefasst, die an einem Ende eine S-Schleife aufweisen, in welche vom gegenüberliegenden Ende ein Haken eingreift (Typ SR 1). Neben einfach eingerollten Schleifen, wie beim Typ SR 1a, treten auch Ringe mit zweifach, eineinviertel oder eineinhalbfach eingerolltem Ende auf (Type SR 1b).

Vom Typ SR 1 unterscheidet Rita Hannig Stücke, die anstelle des Gegenhakens ein stumpfes Ende aufweisen (Typ SR 2). Sie treten als kleine gedrungene (Typ SR 2a) oder auch als größere Ringe (Typ 2b) auf. Hakenringe vom Typ HR 1 gehören eigentlich nicht zu den Schleifenringen, treten jedoch gelegentlich mit diesen gemeinsam auf. Von den einfachen, durch zwei ineinander greifende Haken zu schließende Typen (HR 1a) leiten sich die  Form HR 1b ab, wo der Haken den Ansatz zur S-Schleife andeutet. Daneben gibt es auch Hakenringe mit einseitig stumpfem Abschluss (Typ HR 2).

Sonderformen
Neben den einfacheren Formen der S-Schleifen mit Gegenhaken treten auch solche mit Strichgruppen, Drahtumwicklung, Perlen oder  (und) aufgeschobenen Hülsen aus Silberblech auf, etwa in Gräbern von Alladorf oder Grafendobrach. Seltener werden Ringe mit einem knöpfchenartig verdickten Ende beobachtet, so in Alladorf, Altenkunstadt oder Zultenberg oder vom Barbaraberg
=> 'Knöpfchenohrringe'.
Gelegentlich tauchen Ösenringe auf, welche G. Regele in (5) als Schlaufenringe bezeichnet. In die Ösen eingehängt fanden sich gelegentlich mehr oder weniger feine Geflechte aus Silberdraht. Es sind auch (bunte) Textilfäden denkbar, die jedoch meist vergangen sind. Siehe auch die Gehängeringe aus Grab 53 von Weismain (Abb. 9).

Ralph Pöllath hat 2002 eine sehr differenzierte Unterteilung der Kopfschmuckringe vorgestellt, die hier nicht genauer dargestellt werden kann, so etwa in Formen mit Haken- und Ösenverschluss H1-H3, solche mit S-förmiger Schleife S 0 - S 9 
u. a. m. [in (2) = Lit. 18, Bd. I, S. 92 ff., Bd. II, Abb. 8]. 

Silberner Schläfenring aus Grab 166 von Thurnau-Alladorf mit aufgeschobenen Blechperlen. Die Hülsen aus Silberblech sind durch aufgelegte Silberdrähte verziert..  Abb. 3               Rekonstruktion eines silbernen Schläfenringes aus Grab 82 von Kulmbach-Grafendobrach mit aufgeschobenen Blechperlen. Die Hülsen aus Silberblech sind durch aufgelegte Silberdrähte verziert..  Abb. 4

Fragmentierter Schläfenring                     Zeichnerische Rekonstruktion
mit Blechperlen und aufgeschobenen        eines Schläfenringes aus Grab 83
Manschetten aus Silber aus Grab 82        von Grafendobrach, Stadt Kulmbach
von Grafendobrach, Stadt KU                 [Zeichnung aus (3), S. 506, Abb. 39]


Zur Trageweise der Kopfschmuckringe

  Abb. 6                Lit. 5, S,189. Die Ringe unterschiedlicher Größe mit offenen Enden und S-Schleife wurden aus dickstabigem Silberdraht hergestellt.Abb. 7

Stirnband mit Schläfenringen          Schläfenringe aus Silber
[Zeichnung: Fabian Peise,                    von verschiedenen Friedhöfen
Museum Düppel, Berlin]                      in Thüringen [aus Lit. 5, S. 189]

 
     
                        

Im slawischen Raum bezeichnete man die Ringe von jeher als "Schläfenringe", welche man sich an einem Stirnband oder an einer Haube befestigt vorstellte, während man im Altsiedelland bei den kleineren Formen (1,2 bis 4 cm Dm.) von Ohrringen sprach, besonders wenn sie als Schleifenringe mit eingehängter Perle oder Bommel auftraten. 

   9           Goldener Bommelanhänger aus dem gestörten Grab 2 von Weismain. Die Aufhängung fehlt. Länge 3,1 cm.   Abb. 10

Einer von vier silbernen                       Goldener Bommelanhänger    
Gehängeringen aus                           von einem Ohrring aus Grab 2 
Grab 53 von Weismain                       des Friedhofes von Weismain, Lkr. LIF
                                                          Länge: 3,1 cm (ohne Öse)

          Abb. 11
Schläfenringe mit Lederresten: links vom Barbaraberg, Lkr. Neustadt/Waldnaab (Grab 46) und rechts von Leubingen, heute Lkr. Sömmerda im Thüringischen Becken [Ausschnitt aus Rita Hannig, S. 183, Abb.2].

Gelegentlich wurden an den Ringen noch Reste von Textilien oder  Leder gefunden, sodass man davon ausgehen kann, dass die 'Schläfenringe' auch an Bändern eingehakt am Kopf getragen wurden oder an Hauben befestigt waren.

Weil also verschiedene Trageweisen, teilweise auch nebeneinander, denkbar sind, sollte man besser von Kopfschmuckringen sprechen. Wenn mehrere Paare dieser Ringe getragen wurden (zwei oder gar drei wie in Grab 166 von Alladorf), kann man annehmen, dass die Ringe in ein Stirnband eingehängt oder an einer Art Haube befestigt waren bzw. an Bändern getragen wurden oder in das Haar eingeflochten waren. 
Mehr hierüber bei Rita Hannig [(1) = Lit 32b auf S. 175]. 
=> Weitere Infos und Abbildungen hierzu  [Ostslawische Funde =>]

Literatur
(1) Rita Hannig, S-Schleifenringe in frühmittelalterlichen Gräberfeldern Nordostbayerns. In: Aspekte der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Festschrift für Walter Sage, Bonn 2003 (Lit. 32b), S. 174 ff.
(2) Ralph Pöllath, Karolingerzeitliche Gräberfelder in Nordostbayern, 
4 Bände: Text, Abbildungen, Katalog, Tafeln (Lit. Nr. 18)
(3) Freeden, Uta von: Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Grafendobrach in  Oberfranken, Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 64, 1983 (Philipp von Zabern, Mainz) = Lit 14.
(4) Claudia Haberstroh, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Wirbenz, Kataloge der Archäologischen Staatssammlung Nr. 30 München 2004.
(5) G. Regele: Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Eggolsheim. In: Geschichte am Obermain Bd.23, CHW-Jahrb.2001/02, Lichtenfels 2006 

=> [Slawische Schläfenringe]

=> Knöpfchenohrringe, eine Sonderform

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  Abb. 1

Abb. 1 Frauengrab 147 von Weismain 
Zu sehen ist ein Schläfenring von einem Paar.

 


  Abb. 2

Abb. 2 Kopfschmuckringe aus dem Friedhof
von Altenkunstadt, Lkr. Lichtenfels
[Zittlau u.a., Die Ausgrabung im Chor der 
Pfarrkirche von Altenkunstadt, S. 109, Abb.3]

Rita Hannig, S-Schleifenringe in frühmittelalterlichen Gräberfeldern Nordostbayerns, S. 183, Abb. 1   Abb. 5

Abb. 3 Typen von Kopfschmuckringen aus frühmittelalterlichen Gräberfeldern Nordostbayerns [aus Rita Hannig, S. 183, Abb.1] -  Dm. von Nr. 1 = 5,6 cm.

1 Weismain, Lkr. LIF, Grab 152;  2 Grab 130; 3 Matzhausen, Lkr. Neumarkt i.d. Oberpfalz, 
Grab 36; 4 Grab 12; 5,6 Barbaraberg, Lkr. Neustadt/Waldnaab, Grab 134; 7 Burglengenfeld, 
Lkr. Schwandorf; 8 Grafendobrach, Lkr. Kulmbach, Grab 83; 9 Eggolsheim, Lkr. Forchheim, 
Grab 32; 10 Grafendobrach, Grab 6; 11 Alladorf, Lkr. Kulmbach, Grab 100; 12 Grab 119; 
13-15 Burglengenfeld ;


Rita Hannig, S-Schleifenringe in frühmittelalterlichen Gräberfeldern Nordostbayerns, S. 183, Abb.2  Abb. 8

Abb. 4 Auswahl typischer Kopfschmuckringe bzw. Gehänge aus
frühmittelalterlichen Gräberfeldern Nordostbayerns; Dm. von Nr. 18 = 7 cm
[aus Rita Hannig, S. 183, Abb.2]

1 Barbaraberg, Lkr. Neustadt/Waldnaab, Grab 46; 2 Leubingen, Lkr.Sömmerda;
3
Barbaraberg, Lkr. Neustadt/Waldnaab, Grab 126; 4 Kleetzhöfe, Lkr. Kulmbach, Grab 9: 
5 Zelenice, Bez. Kladno, Grab  10; 6,7 Zbuzany, Bez. Prag-West, Grab 1; 8 Espenfeld, 
Lkr. Arnstadt, Grab 101/63; 9,10 Zelenice, Bez. Kladno, Grab 34;  11
Matzhausen, Lkr. 
Neumarkt i. d. Oberpf., Grab 4; 12 Eschenz, Kt. Argau; 13,14 Staffelstein, Lkr. Lichtenfels; 
15
Grafendobrach,  Lkr. Kulmbach, Grab 4; 16 Weismain, Lkr. LIF, Grab 53;  
17,18 Grafendobrach,  Lkr. Kulmbach, Grab Grab 53 )mit Rekonstruktion von Freeden 1983,
444); 19 
Kleetzhöfe, Lkr. Kulmbach, Grab 32; 20 Adelsdorf, Lkr. Erlangen-Höchstadt, 
Hortfund; 21
Weismain, Lkr. LIF, Grab 2; 22 Burglengenfeld, Lkr. Schwandorf. 


 

Kopfschmuck eines etwa dreijährigen Mädchens. Verschiedene Perlen wurden in Dreiergruppen auf einem Stoffband aufgenäht, wobei nur die hinteren Enden des Stoffs freiblieben. Das Zentrum schmückten zwei S-Schleifenringe, auf die je eine kleine Perle aufgeschoben war.  12        13

Trageweise eines Stirnbandes mit Haube 
und Kopfschmuckringen sowie Perlen nach einem Befund aus Grab 4
des Gräberfeldes von Wirbenz, Gde. Speichersdorf, Lkr. Bayreuth 
[Rekonstruktion: Frau Bartel, BLfD; Montage und Foto: H. Voss, BLfD -
 aus (4), S. 115 Abb. 6 (4) Titelvignette: Dr. G. Sorge] 

 

  Abb. 14

Abb. 6 Unterschiedliche Trageweise von Kopfschmuckringen, 
hier 'temple rings' genannt, aus dem ostslawischen Bereich, zumeist 
aus novenkin I (östlich von Novgorod)   => Link zum Artikel (engl.)

=> Slawische Schläfenringe

=> Knöpfchenohrringe, eine Sonderform

=> Das große Mittelalterforum im Vikingnet

=> Forum: Tempus-vivit.net  [Gewandung, Schmuck und Kopfbedeckungen für Frauen]

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