Archäologisches Lexikon

EISZEITKUNST: Neue 'älteste' Kunstwerke


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"Das Aurignacien begann als erste Phase der jüngeren Altsteinzeit vor ca. 40.000 Jahren. In dieser Zeit entstanden die ältesten Kunstwerke der Menschheit.

Gefunden wurden sie erstmals in Höhlen der Schwäbischen Alb, wo der Tübinger Archäologe Gustav Riek 1931 in der Vogelherd-Höhle im Lonetal grub und ein knappes Dutzend inzwischen weltberühmter Tierplastiken aus Elfenbein zutage förderte. Im nahegelegenen Hohlenstein-Stadel barg man wenige Jahre später den so genannten Löwenmenschen, eine Elfenbeinfigur mit einer Kombination aus Merkmalen von Löwen und Menschen. Danach sollte es über Jahrzehnte keine weiteren derart sensationellen Funde mehr geben, bis Joachim Hahn ab den Siebzigerjahren in der Geißenklösterle-Höhle bei Blaubeuren erneut auf drei Tierdarstellungen und eine anthropomorphe Figur stieß.

Die Grabung lieferte auch Bruchstücke zweier Flöten, von denen eine beinahe vollständig zusammengesetzt werden konnte. Es waren die ältesten Musikinstrumente der Menschheit. Seit Ende der Neunzigerjahre erfolgten bei Ausgrabungen im Hohle Fels bei Schelklingen im Achtal unter der Leitung des Tübinger Altsteinzeitforschers Nicholas Conard neue herausragende Entdeckungen. In Schichten des Aurignacien fanden sich weitere sorgfältig geschnitzte Elfenbeinfiguren: ein Pferdekopf, ein Wasservogel und schließlich ein zweiter Löwenmensch. Dieser zeigt, dass die Darstellung von Mischwesen in der Altsteinzeit kein Einzelfall war und man sogar annehmen kann, dass sich hier Glaubensvorstellungen manifestieren.

Durch eine überraschende Entdeckung wurde auch die Flötensammlung aus dem Geißenklösterle ergänzt. Bei der Aufarbeitung der zahllosen Elfenbeinsplitter gelang es erneut, ein solches Blasinstrument zusammenzusetzen. Das Besondere daran ist, dass diese Flöte nicht aus einem hohlen Vogelknochen gearbeitet wurde, sondern aus massivem Elfenbein - eine technische Meisterleistung, wie man sie aus der Altsteinzeit bislang noch nicht kannte.

Im Jahre 2005 begann Conard mit einer Nachuntersuchung in den von Riek aus dem Vogelherd ausgeräumten Höhlensedimenten, um eventuell bei der Ausgrabung übersehene Fundstücke zu bergen. Bislang wurden kaum 20 Prozent des Materials untersucht, doch die Ergebnisse sind schon jetzt verblüffend. Insgesamt konnten Teile fünf verschiedener neuer Eiszeitkunstwerke gefunden werden, darunter eine Mammutfigur - die erste gänzlich vollständige Darstellung aus dem Aurignacien der Schwäbischen Alb (Abbildung).

Die neuen Funde verdeutlichen einmal mehr die einmalige Rolle der Schwäbischen Alb bei der Herausbildung einer eiszeitlichen Tradition von figürlicher Kunst und Musik."
[Leseprobe aus AiD 4 - 2007, S. 4 und 5]   Theiss Verlag

=>  Mehr zum 'Löwenmenschen'  [ulmermuseum.de]
=> 
Schwäbische Alb - Wiege der Kunst


Quellen

(1) Die Zeit: 22. Dezember 2003, S. 29;
(2) Pressemitteilung der Eberhard Karls Universität Tübingen  vom 18.12.2003;
(3)
Archäologie in Deutschland (AiD), Theiss Verlag (= Lit. 9)
(4) Spuren der Jahrtausende, Archäologie und Geschichte in
     Deutschland, 2. Auflage 2003 (= Lit. 36),  Theiss-Verlag

                                                                  Stuttgart


=> Schwäbische Alb - Wiege der Kunst

 

Neufund 2003 eines kleinen 'Löwenmenschen' von 25,5 mm Höhe. Bild: Uni Tübingen   1

Der neu gefundene 'Bruder'
des Löwenmenschen,  2,5 cm hoch

=> Zur neuen Rekonstruktion
des Löwenmenschen [Wikipedia]


    
2

Mammutfigur aus der Vogelherd-Höhle
im Lonetal bei Stetten, 1931;
Länge: 6,3 cm; 
[(4), S. 59, Abb. 96 = Lit. 36]

 

   3

Die neue Mammutfigur aus der 
Vogelherd-Höhle v
on 2005
[(3) AiD 4 - 2007, S. 5] 
Verlag

 

  4

Das neue Mammut aus dem Vogelherd in
verschiedenen Ansichten [(3) AiD 4 - 2007, S. 5]


  5

=> Neufund einer Mammutdarstellung
aus der Vogelherdhöhle im Lonetal (Schwäbische Alb).
Bei der 3,7 cm langen Elfenbeinfigur handelt es sich wohl
um das bisher älteste Kunstwerk der Menschheit.
[Der Ursprung der Kunst vor 35.000 Jahren - Welt Online]

=> 4 Millionen Jahre Mensch
Begleittext zur Ausstellung „4 Millionen Jahre Mensch“, 1999 im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart [Spektrum.de]


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