Archäologisches Lexikon


Speere, Harpunen und Speerschleudern

vom Jungpaläolithikum bis zum Mesolithikum

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Zeitliches Vorkommen           Die wichtigsten Jagdwaffen
steinzeitlicher Jagdwaffen        und Jagdbeute der Steinzeit
['Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' S. 14, Abb. 6 - S. 15, Abb. 7]

Archäologische Nachweise von Speerschleudern
"In Fundinventaren aus der zweiten Hälfte des Jungpaläolithikums (ca. 18.000 bis 10.000 v. Chr.) tauchen immer wieder Objekte aus zumeist Rentiergeweih auf, die als auffällige Gemeinsamkeit einen herausgearbeiteten hakenförmigen Vorsprung aufweisen. Es handelt sich hierbei um Funktionsenden von Speerschleudern, die - wie die Basisgestaltung bei einigen vollständig erhaltenen Stücken zeigt - ursprünglich in einen hölzernen Schaft eingesetzt waren.
Bis heute sind inklusive aller Fragmente etwa 125 Speerschleuder-Hakenenden bekannt. Ihr Verbreitungsbild zeigt eine deutliche Konzentration im südwestfranzösischen Raum (Dordogne, Pyrenäenvorland), die wenigen übrigen kommen aus Fundstellen Spaniens, der Schweiz und Deutschlands. Das älteste Stück stammt aus dem Späten Solutréen (ca. 18.000 -16.000 v. Chr.), die jüngsten aus Schichten des Magdalénien V (ca. 10.800 -10.400 v. Chr.). Die Mehrzahl der Exemplare aus stratigraphisch gesicherten Zusammenhängen lassen sich dem Magdalénien IV (ca. 11.400-10.800 v.Chr.) zuordnen. Neben eher schlichten Hakenenden gibt es auch eine größere Zahl an reichhaltig gravierten oder in Tierkörperform skulptierten Stücken, die zweifellos mit zu den schönsten Kleinkunstobjekten dieser Epoche zählen (Abb. 5).

Die gleiche Problematik der nur bruchstückhaften Überlieferung stellt sich auch für die zugehörigen Speere, von denen ebenfalls nur die widerstandsfähigsten Teile in Form der Projektile erhalten geblieben sind. Während im Späten Solutréen (ca. 18.000-16.000 v.Chr.) in erster Linie steinerne Exemplare - z.B. sog. Kerbspitzen - vorkommen, stehen während der Blütezeit der Speer-schleuder im Magdalénien (ca. 16.000-10.000 v.Chr.) Projektile aus Geweih im Vordergrund (Abb. 17). Unter den nach der Art der Basisgestaltung unterschiedenen Spitzen dominieren mit Abstand solche mit ein- und beidseitiger Abschrägung. Seit dem Gravettién im Mittleren Jungpaläolithikum (ca. 30.000 -19.000 v. Chr.) sind unter den Steinwerkzeugen sogenannte Rückenmesser vertreten. Die aus intentionell abgespaltenen Feuersteinsplittern von regelhaft lang-schmaler Form - sog. Klingen und Lamellen - hergestellten Geräte waren allem Anschein nach Bestandteile von zusammengesetzten Projektilen. Wie Funde aus dem Magdalénien Frankreichs zeigen, dürften diese als schneidende Kanten fungierenden Elemente sowohl auf Geweihspitzen als vielleicht gelegentlich auch direkt auf einen zugespitzten Holzschaft aufgeklebt gewesen sein ". Siehe (Abb. 7) [Leseprobe aus (1), S. 26 - 29].

Harpunen - die ganz speziellen Speere
"Harpunen stellen eine ganz spezielle Art von Speeren dar, bei denen das mit ein- oder beidseitigen Widerhaken versehene Projektil nicht fest mit dem Holzschaft verbunden ist. Die in einer entsprechenden Aussparung am vorderen Ende festgeklemmte Harpunenspitze löst sich nach dem Eindringen in die Beute vom Schaft. Wie völkerkundliche Beispiele zeigen, bleibt sie danach entweder durch eine kurze Leine mit dem Schaft oder durch eine längere mit dem Werfer verbunden. Die Widerhaken gewährleisten einen festen Sitz der eingeschossenen Harpunenspitze in der Beute, so daß diese über die kurze Leine und den Schaft oder die längere Leine an einer Flucht gehindert werden kann. Die in der Ausstellung gezeigten Exemplare stellen einen Querschnitt der Formenvielfalt vom späten Jungpaläolithikum vor etwa 14.000 Jahren bis zum Ende des Neolithikums vor etwa 5.000 Jahren dar. Es wird allgemein angenommen, daß steinzeitliche Harpunen überwiegend beim Fischfang verwendet worden sind. Da jedoch ein Einsatz bei der Jagd auf Säugetiere - z.B. auf im Wasser lebende Arten wie den Biber oder auf solche wie den Elch oder das Rentier bei der schwimmenden Durchquerung eines Gewässers - ebenfalls denkbar erscheint, hat die Harpune im Rahmen dieser Ausstellung eine bewußte Berücksichtigung gefunden"
[Leseprobe aus (1), S. 24].

 

Zusammengesetzte Geräte mit Mikrolithen
Abgesehen von Knochenharpunen, die bisher in Oberfranken noch nicht gefunden wurden und roh bearbeiteten gelochten Keulen bzw. Hacken aus Geröll gelten geometrische Mikrolithen als Leitformen der Mittelsteinzeit. Diese etwa 1,5 bis 2 cm langen, sorgfältig retuschierten Silexsplitter wurden als Widerhaken in Pfeilen oder Harpunen verwendet und mit Birkenpech in den Holzschaft eingeklebt (siehe Abb. 10 oben und unten sowie 11).

 

    10         11

Rekonstruktion von Harpunen und einer Harpunenspitze
mit eingeklebten Mikrolithen (Birkenpech als Kleber), hergestellt von Robert Graf aus der Sonderausstellung "Faszination Geschichte" in Kronach (Jan.-März 2003)


Quellen 
(1) 'Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' - Technik der steinzeitlichen Jagd, Archäologische Mitteilungen aus Norddeutschland, Beiheft 16, Begleitschrift zur Sonderausstellung  des Staatlichen Museums für Naturkunde und Vorgeschichte, Isensee Verlag Oldenburg 1996.
(2) Steinzeit selbst erleben (Lit. m)
        Verlag Stuttgart

=> Demonstration einer Speerschleuder
      aus 'Himmelswege': Foto aus Album
      des Sonnenobservatoriums Goseck
      bei der Wintersonnenwende 2006

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=> Jagd mit Pfeil und Bogen

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=> Jagd mit Pfeil und Bogen
 

   3

Rentierjagd mit der Speerschleuder
['Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' S. 32, Abb. 27]

 

   4

Rekonstruktionen von Speerschleudern
['Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' S. 30, Abb. 21]


   Abb. 5
Hakenenden jungpaläolithischer Speerschleudern
['Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' S. 27, Abb. 16]


  Abb. 6

Idealer Bewegungsablauf beim Schleudern
[Abb. nach 'Steinzeit selbst erleben', S. 23]

 

    Abb. 7

Rekonstruierte Speerspitzen der jüngeren Altsteinzeit
mit einer Kerbspitze des Solutréen (unten) bis zu
einer Spitze mit eingeklebten Rückenmessern (oben).
['Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' S. 30, Abb. 22]


      Abb. 8

Rekonstruierte steinzeitliche Harpunen
vom Jungpaläolithikum bis zum Neolithikum
['Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' S. 25, Abb. 15]


   9
Jagd mit Pfeil und Bogen auf Wasservögel

['Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' S. 47, Abb. 51]


      

Rekonstruierte neolithische Pfeilspitzen - rechts: Befiederung
['Mit dem Pfeil, dem Bogen ...' S. 44, Abb. 44, 45]  -  12 und 13

 

   14

Zerlegen eines erlegten Mammuts


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