Ein frühhallstattzeitliches Heiligtum bei Litzendorf-Naisa Landkreis Bamberg, Oberfranken

Ältere Eisenzeit (750-450 v. Chr.)       => Zu einer Kurzfassung

 

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[Größter hallstattzeitlicher Friedhof]
"An das bekannte große hallstattzeitliche Grabhügelfeld im Geisberger Forst, das bereits im vergangenen Jahrhundert »ausgegraben« wurde, schließt sich im Norden eine Ackerfläche an, auf der wir in den vergangenen drei Jahren die spärlichen Reste völlig verebneter Gräber untersucht haben (Abb. 57). Die an sich enttäuschenden Befunde ergänzte zum Teil qualitätvolle älterhallstattzeitliche Keramik, ohne daß auch nur ein einziges Grabinventar komplett erhalten war. Hinzu kamen die typischen Beigaben eines frühlaténezeitlichen Männergrabes, das man offensichtlich im Randbereich eines Hügels eingetieft hatte: ein Kastengürtelhaken und zwei Koppelringe aus Eisen sowie eine Fibel, ein kleiner Anhänger und ein Ringlein aus Bronze.

[Steinkreise eines zweiphasigen Grabhügels]
Das Ende der Grabungssaison 1991 bescherte uns nun einen außergewöhnlichen Befund (Abb. 58; 59). Zuerst wurden die kärglichen Reste zweier annähernd konzentrischer Steinkreise eines zweiphasigen Grabhügels freigelegt. Im Bereich des inneren Steinkreises, dessen ursprünglicher Durchmesser 11 m betrug, fanden sich als älterhallstattzeitliche Nachbestattungen drei Urnengräber, eine Erscheinung, die sich in Oberfranken mehrfach nachweisen läßt, so beispielsweise in Tannfeld und Wichsenstein. Es handelt sich hier wohl um die Bestattungen einer ärmeren, abhängigen Bevölkerungsschicht. Durch die Urnengräber und ein paar verstreute Scherben im Bereich der ehemaligen Kammer ließ sich dieser Hügelrest in die Stufe Ha C datieren.

Der äußere, jüngere Steinkreis hatte einen Durchmesser von ursprünglich 16 m. Weder der Hügel, den er umschloß, noch die vielleicht Ha-D-zeitliche Bestattung waren erhalten. Lediglich ein kleines Pfostenloch markierte das Hügelzentrum, von dem aus man den Steinkreis abgesteckt hatte.

[Ein rätselhaftes Graben- und Pfostensystem]
Soweit fiel dieser Befund nicht aus dem üblichen Rahmen. Unter den Steinkreisen fand sich nun aber eine planierte Aufschüttung, die ihrerseits ein Graben- und Pfostensystem überdeckte, das dank des äußerst umsichtigen Vorgehens des Grabungstechnikers so klar zutage treten konnte. Dieser Befund besteht aus zwei voneinander getrennten Systemen. Das ältere setzt sich aus zwei konzentrischen Gräben zusammen, deren Breite etwa 1-1,5 m und deren Tiefe 30-50 cm betrug, wobei der äußere Graben den inneren in den Maßen ein wenig übertraf. Der Raum zwischen beiden Gräben mißt im Westen l m und im Osten 50 cm. Der äußere Graben wies im Nordnordosten einen 4 m breiten Eingang auf. Genau gegenüber, also im Südsüdwesten, lag der Eingang des inneren Grabens. Er war ebenfalls 4 m breit, wurde aber durch zwei Pfosten auf 2 m Breite eingeengt. Die Mittelachse wich von der Nord-Süd-Richtung um 25 Grad ab. In den Graben eingeschwemmte, teilweise zu denselben Gefäßen gehörende Keramikscherben (Abb. 60) und die Tatsache, daß das Grabensystem unter der frühhallstattzeitlichen Hügelbestattung lag, sprechen für eine Datierung des Befunds in einen älteren Abschnitt der Stufe Ha C.

[Graben und Pfostenlöcher]
In der Innenfläche sowie außerhalb des Grabensystems fand man sechs paarweise angeordnete Pfostenlöcher, die einen deutlichen Bezug zueinander erkennen lassen und jünger als die beiden Gräben, aber älter als die Bestattungen sind. Offensichtlich wurde dieser Komplex durch die Anlage des jüngsten Grabhügels so stark in Mitleidenschaft gezogen, daß sich nur noch geringe Teile erhalten haben. Deutlich wird aber, daß die Pfosten in drei parallelen Reihen stehen, deren gemeinsame Mittelachse nordsüdlich orientiert ist. Es erhebt sich nun die Frage nach der Bedeutung des Grabensystems. Es kann sich weder um einen Wohnkomplex noch um ein Grab handeln. Da sowohl die Gräben als auch der durch die Pfostenstellung rekonstruierbare Kreis annähernd konzentrisch zu den Steinkreisen der Grabhügel angelegt sind, dürfte es einen Bezug der einzelnen Systeme zueinander gegeben haben. Man wird wohl kaum fehlgehen, wenn man das Grabensystem mit dem Bestattungsritus in Zusammenhang bringt, zumal die Südsüd-west-Nordnordost-Achse der Gräben und die Süd-Nord-Achse des Pfostensystems der Ausrichtung hallstattzeitlicher Gräber entsprechen. Auch bei ihnen variiert die Abweichung von der Süd-Nord-Achse im allgemeinen von Südsüdwest-Nordnordost bis Südsüdost-Nordnordwest.

[Ein Heiligtum für Bestattungszwecke?]
Obwohl es keinerlei Hinweise auf kultische Handlungen gab, sieht man einmal von den Keramikscherben in den Gräben ab, die auf ein absichtliches Zerscherben von Gefäßen hindeuten mögen, scheint es sich hier um ein Funeralheiligtum zu handeln. Da die Anlage offenbar aus der frühesten Hallstattzeit stammt, mag man sie zur Einweihung des ältesten Friedhofsteils errichtet haben. Ähnlich wie die Steinkreise oder Kreisgräben der Grabhügel markierten auch diese beiden Gräben eine Tabuzone, deren innersten Bereich wohl nur die Priesterschaft betreten durfte. Der Zugang muß von Nordnordosten her über den l m breiten Steg zwischen den Gräben der Westseite erfolgt sein, der nur hier die zum Begehen notwendige Breite erreichte. Die sorgfältige Ausgrabung zeigte deutlich, daß außer den beiden Gräben keinerlei weitere Bauelemente existiert haben, sieht man einmal von an der Oberfläche aufgestellten Steinen oder hölzernen Figuren ab, die sich archäologisch nicht nachweisen lassen. Es handelt sich also bei unserem Heiligtum um eine Anlage, die mit wenig Aufwand errichtet wurde, weil sie keine dauerhafte Funktion zu erfüllen hatte, sondern lediglich für eine einmalige kultische Handlung gedacht war. Das bestätigt auch die Verfüllung der Gräben, die relativ rasch erfolgt sein muß, weil Keramikscherben unter einer dünnen Einschwemmschicht an darüberliegende Stücke passen. Das Grabensystem wurde mit größter Wahrscheinlichkeit nicht gereinigt und kann demzufolge nur wenige Monate offen gelegen haben. Möglicherweise wurde dieses Heiligtum durch die jüngere Pfostenanlage ersetzt. Allerdings ist von ihr viel zuwenig erhalten, um ihren Aufbau auch nur annähernd rekonstruieren zu können. [Abb.61]

[Zur zeitlichen Abfolge]
Aufgrund des Ausgrabungsbefunds läßt sich die Abfolge in der Bebauung recht klar erschließen: Wohl zu Beginn der Stufe Ha C legte man das Heiligtum an und überbaute es nur wenig später mit der Pfostenkonstruktion. Dann überzog man das Areal mit einer bis zu 30 cm starken Planierungsschicht und errichtete darauf den älteren, frühhallstattzeitlichen Grabhügel mit Steinkreis, in den man dann die Nachbestattungen eintiefte. Schließlich wurde zu einem späteren Zeitpunkt, vielleicht in der Stufe Ha D, der Grabhügel überhöht und mit einem größeren Steinkreis umschlossen.

Literatur
K. Schwarz, Die vor- und frühgeschichtlichen Geländedenkmäler Oberfrankens. Materialh. Bayer. Vorgesch. 5 (Kallmünz 1955) 48f. - B.-U. Abels, Archäologischer Führer Oberfranken. Führer arch. Denkmäler Bayern. Franken 2 (Stuttgart 1986) 133 ff."


[B.-U. Abels in: Das Archäologische Jahr in Bayern 1991, S. 86 ff]


  

Abb. 57   Litzendorf-Naisa. Lageplan des hallstattzeitlichen Grabhügelfriedhofs. Punkte: im Wald erhaltene Grabhügel; Kreise: im Acker ergrabene Grabhügel

 

 

 

58    Litzendorf-Naisa. Blick von Südsüdwesten auf das frühhallstattzeitliche Funeralheiligtum.

 

 

 

 

59    Litzendorf-Naisa. Plan des Heiligtums mit Graben-
und Pfostensystem, frühhallstattzeitlichen Urnenbestattungen (kleine Kreise) und den Resten zweier Steinkreise.

 

 

60    Lltzendorf-Naisa. Keramikscherben
aus dem Grabensystem. Maßstab l: 3.

 

(Abb. 61) Rekonstruktionsversuch des Heiligtums [Internetseite]

 

 

 

(Abb. 62) Rekonstruierte Grabhügel [wikipedia]


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