Zur Sonderausstellung in Tüchersfeld 2010: -1-

"Handwerker - Krieger - Stammesfürsten"

Funde aus der germanischen Höhensiedlung auf dem Reisberg


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  Abb. 1
Der Reisberg, von der Giechburg aus gesehen
Im Vordergrund Demmelsdorf, links darüber Schlappenreuth

Topographie
"Wenig östlich des Zusammenflusses von Main und Regnitz schiebt sich der Reisberg als annähernd ovaler Sporn nach Westen aus der Hochfläche der Fränkischen Alb (Abb. 1u.2). Mit einer Höhe von ca. 553m über N.N. liegt er um ca. 150 Höhenmeter über dem Talgrund des Leitenbaches, der in den Obermain entwässert. Der Berg überragt damit auch die umliegenden Randhöhen und bietet mit einer flaschenhalsförmigen Verbindung zur Hochfläche beste Voraussetzungen, um den Sporn an dieser Stelle wirkungsvoll und rasch abzuriegeln (Abb. 2). Dieser nur ca. 50 m breite Anschluss an die Hochebene wird von einem ca. l m hohen Abschnittswall mit einem vorgelagerten Graben von noch etwa l m Tiefe abgetrennt. 220m westlich davon liegt ein zweiter, innerer Wall. Beide Wälle biegen im Süden etwa 15m vor der Hangkante nach Westen um. Dabei dürfte es sich jeweils um die innere Wange eines Zangentores handeln, die beim inneren Wall heute kaum mehr, beim äußeren Tor noch etwa 20m weit zu verfolgen ist. Der streckenweise nur noch als Terrassenkante erkennbare innere Abschnittswall schließt sich im Norden an die hier noch erhaltene Randbefestigung an. An dieser Stelle scheint ein alter Weg von einer ca. 50 Höhenmeter tiefer liegenden Schichtstufe vor dem Osthang auf die Hochfläche zu führen. Sollte es sich dabei um eine antike Zufahrt handeln, muss sie zum Zangentor des inneren Abschnittswalles geführt haben. Die gesamte Anlage weist eine Größe von ca. 14 ha auf. Baustrukturen und Funde sind bisher nur auf den Terrassenflächen innerhalb des inneren Abschnittswalles nachgewiesen." [(2), S. 201]

Lage und Befunde
"Der Reisberg oder auch Schlappenreuther Berg ist ein aus der Fränkischen Alb nach Westen vorgeschobener Sporn, der sich mit einer absoluten Höhe von 553 m über NN rund 200 m über der Talsenke des Ellernbaches erhebt. Nach drei Seiten fällt er steil ab. Allein im Südosten der Kuppe gewährt eine schmale flaschenhalsähnliche Verengung von nur 75-100 m Breite den Zugang von der fast gleich hohen rückwärtigen Albhöhe her. Im Umriss einer von Norden nach Süden sich verbreiternden Zunge gleichend, gliedert sich die 520 x 350 m messende Bergkuppe in zwei kleinere Gipfel, die sich oberhalb des westlichen Steilhangs erheben, und einen sanfter abfallenden terrassierten Bereich im Osten. Die Binnengliederung mit Steilhängen rings um die beiden Gipfel bedingt, dass sich von der rund 14 ha großen Kuppe nur ca. 7 ha für eine Besiedlung eigneten.  

Von der einst vorhandenen Bebauung sind heute nur noch die verrollten Reste zweier Abschnittswälle sichtbar, die den verengten Zugangsbereich im Osten absperren. Der äußere Wall weist eine Höhe von 0,3 m auf, ihm vorgelagert ist ein bis zu 0,8 m tiefer Graben. 220 m weiter westlich befand sich ein innerer Abschnittswall, der auf 100 m Breite den flaschenhalsförmigen Zugang überquert und heute noch bis zu 0,5 m aufragt. Beide annähernd Nord-Süd verlaufenden Wälle biegen im Süden an der Hangkante scharf nach Westen um. Vermutlich handelt es sich um die Reste von ansonsten abgegangenen Toranlagen, sogenannten Zangentoren. Obwohl ein sicherer Nachweis aussteht, wird davon ausgegangen, dass die Abschnittswälle mit den Toranlagen in das späte 4./5. Jahrhundert, vermutlich sogar erst in das fortgeschrittene 5. Jahrhundert gehören.

Weitere Reste von einer Befestigung des Reisberges ergaben sich bei den Ausgrabungen 1983, die wegen der bevorstehenden Errichtung einer Antennenanlage nötig geworden waren. Damals wurden drei Schnitte angelegt, von denen zwei in den Gipfelbereichen allerdings ohne Befund blieben. Der dritte Grabungsschnitt lag an der westlichen Hangkante. Hier konnten ein System von Pfostenlöchern und ein Mauerversturz erkannt werden, die von einer Pfostenschlitzmauer stammen. Die Mauer hatte man auf einer Planierschicht, die das Gefalle an der Hangkante ausglich, errichtet.

In den entsprechenden Fundschichten enthaltene Scherben und Metallfunde sichern eine Datierung der Konstruktion in die späte Römische Kaiserzeit ab, ihre Zerstörung dürfte um oder noch vor Mitte des 5. Jahrhunderts erfolgt sein. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um eine Ringmauer, die um die ganze Kuppe lief. Unter den Schichten des 4. bis 5. Jahrhunderts wurden bei der Ausgrabung Spuren einer vorgeschichtlichen Besiedlung gefunden, die beweisen, dass der Reisberg schon während der Urnenfelderzeit aufgesucht wurde. Inzwischen sind außerdem einige Latènefibeln bekannt, die aus den Hangbereichen stammen. Anzeichen für eine durchgängige Besiedlung bis in frühgeschichtliche Zeit gibt es hingegen nicht.

Die geophysikalische Untersuchung von 2000
Wichtige Aufschlüsse zur Innenbebauung der Bergkuppe des Reisberges lieferte die geophysikalische Untersuchung einer großen, fast 80 x 80 m messenden Fläche am Osthang, die im Jahr 2000 durchgeführt werden konnte. Mit Hilfe eines Magnetometers wurde zerstörungsfrei eine Vielzahl von Gruben und Pfostenstellungen erfasst, die eine intensive Nutzung der östlichen Hälfte der Messfläche belegen. Allerdings lässt sich ihre Datierung in das 4./5. Jahrhundert nicht erweisen, solange Nachgrabungen ausstehen, die datierbares Fundmaterial liefern. In dieser Hinsicht erfüllte eine schon 1992 etwas nördlich dieser Fläche freigelegte Arbeitsgrube mit Feuerstelle voll und ganz die Erwartungen. Neben mehreren Mahlstein- und nicht mehr genau bestimmbaren Bronzefragmenten lag in der Grube der Griff einer jüngerkaiserzeitlichen Siebkasserolle.

Trotz dieser wichtigen Resultate, die den Reisberg unter die wenigen besser erforschten Höhensiedlungen des 4./5. Jahrhunderts einreihen, bleiben die Ergebnisse zu ausschnitthaft, um ein genaues Verständnis über die Binnenstruktur der Höhensiedlung und ihre Entwicklung im 4. und 5. Jahrhundert zu gewinnen. Nur wenige Rahmendaten stehen bislang für eine Interpretation zur Verfügung, die sich im übrigen auf das gewaltige Kleinfundspektrum aus den Hangbereichen stützen muss." [(1), S. 10-13]

Zur Forschungsgeschichte des Reisberges [Zusammenfassung]
Der heute dicht bewaldete Reisberg bei Schlappenreuth erhebt sich steil aus dem Tal über seine Umgebung. In den vergangenen Jahrzehnten rückte der Reisberg immer stärker in das Interesse der Archäologie. Einer der ersten Funde von dort war ein Beschlag eines römischen Militärgürtels. Er hat eine gute Entsprechung in Gürtel-
beschlägen von der Ehrenbürg bei Forchheim.
Mit dem Bau eines Telekommunikationsmasten auf dem Gipfel war die Chance gegeben, punktuell systematische Grabungen durchzuführen. Dabei wurde eine umlaufende Pfostenschlitzmauer erkannt und dokumentiert. Im Jahre 2000 wurde eine Untersuchung mit einem Magnetometer im östlichen Bereich der Hochfläche durchgeführt. Neben der Pfostenschlitzmauer konnten dabei eine Vielzahl von Pfostensetzungen mehrerer Häuser sowie einige Pfostengruben erkannt werden. Gleich daneben kam bei einer Grabung ein Grubenhaus zutage, das ehemals eine Buntmetallwerkstatt beherbergte [Tafeltext].

Lesefunde vom Reisberg
In den darauf folgenden Jahren wurden die sehr steilen Hangbereiche des Reisbergs im Auftrage des BLfD immer wieder begangen. Mittlerweile liegen über 1500 Objekte aus Eisen, Bronze und auch einige wenige aus Edelmetall vor. Diese Objekte decken alle Lebensbereiche und die gesamte Zeitspanne der germanischen Besiedelung ab, beginnend schon in der Latène-Zeit und bis in das letzte Viertel des 5. Jahrhunderts reichend. Darüber hinaus stammen einzelne Objekte aus noch späterer Zeit.
Die Mehrzahl der Funde lässt sich eindeutig auf die Zeit um 400 datieren. Da es sich fast ausschließlich um Lesefunde handelt, ist die Ausstellung nach Themenbereichen gegliedert, nicht nach zeitlichen Gesichtspunkten [Tafeltext].

Zusammenfassung und Deutung [Jochen Haberstroh]
"Auf dem Reisberg bei Scheßlitz spiegeln sich zwei tief greifende Ereignishorizonte des 5. Jahrhunderts im archäologischen Befund. Zumindest zeitweise waren daran ostgermanischgeprägte Gruppen beteiligt. Ein großer Teil dieser Elemente verschwindet schon im mittleren 5. Jahrhundert endgültig aus dem Maingebiet. In diesem jahrzehntelangen Prozess mit mehrfachen Ansätzen zur Herrschaftsbildung ist dem frühen Thüringerreich die „strategische“ Sicherung einer Einflusszone in Mainfranken bisher nicht nachzuweisen. Deutlicher zeichnen sich im mittleren Drittel des 5. Jahrhunderts Verbindungen mit der böhmischen Vinarice-Gruppe ab. Die frühmerowingischen Funde enden in der Zeit der alamannisch-fränkischen Konflikte, die auf vielen Höhensiedlungen Südwestdeutschlands ihren Niederschlag finden.
Für Mainfranken ist uns davon in den wenigen Schriftquellen nichts überliefert.
Vor diesem Hintergrund sind jedoch Zweifel an der vielfach vorausgesetzten thüringischen Vormacht vor 531 angebracht. Als Träger der sich bis in das 6. Jahrhundert fortsetzenden elbgermanischen Traditionen im Maingebiet kommt nur ein Substrat autochthoner Bevölkerung in Betracht." [(2), S. 261]

Literatur
(1) Christoph Eger: Die Höhensiedlung des 4. und 5. Jahrhunderts auf dem Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern, Lkr. Bamberg; in Handwerker Krieger Stammesfürsten; Aufsätze im Begleitband zur Sonderausstellung im Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld vom 22. Mai - 07. November 2010.
(2) Jochen Haberstroh: Der Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern in der Völkerwanderungszeit Überlegungen zum 5. Jahrhundert n. Chr. in Nordbayern
[in GERMANIA 81-1, 2003]
(3a) Haberstroh Jochen, Germanische Funde der Kaiser- und Völkerwanderungszeit aus Oberfranken. Kallmünz 2000 (= Lit. 15)  
(3) Abels Björn-Uwe, Sage Walter, Züchner Christian, Oberfranken in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, Bamberg, 1996 (= Lit. 1)
(4) K. Leidolf, P. Ettel, W. Irlinger, J. Zeune, Burgen in Bayern, 7000 Jahre Geschichte im Luftbild. Theiss Verlag 1999, S. 71
(5) B.-U. Abels, H. Voss: Selten und schön, Arch. Kostbarkeiten, Lichtenfels 2007

  Abb. 2

Reliefkarte des Reisberges [(1), Abb. 3]

 



   Abb. 3

Luftbildaufnahme des Reisberges von Süden [(4), S. 71]



 

   Abb. 4

Plan des Reisberges [(4), S. 71]

 

 


  Abb. 5

Rekonstruktion der Pfostenschlitzmauer mit Zangentor [(1), Abb. 4]

 



    Abb. 6     

Reisberg bei Burgellern: Grabungsflächen und Fundverteilung,
Stand April 2001 [(2), Abb. 2 (Ausschnitt)]

 

 

   Abb. 12                      Abb. 13

Gürtelbeschlag vom Reisberg                      Zeichnung [aus (1), Abb. 13]
Breite 6,8 cm
 

  Abb. 14       Abb. 15

Nachbildung kerbschnittverzierter      Spätrömische Gürtelgarnitur aus Bronze
Gürtelbeschläge
von der Ehrenbürg       von der Ehrenbürg, Lkr. Forchheim
[Sonderausstellung im Fränkische             [(3), S. 155] -
Breite: etwa 13,6 cm
Schweiz-Museum Tüchersfeld]                 => Höhere Auflösung [(5), Nr. 106, S. 225]

=> Zeichnung [(3a), Tafel 92]                   => Gürtelgarnitur im ArchäologieMuseum
                                                               Oberfranken in Forchheim i
n einem Webalbum



   Abb. 11

Kerbschnittverzierte Beschläge von spätrömischen Miltärgürteln
vom Reisberg [(1) Abb. 12]

 

=>  Handwerk mit Holz- und Eisenverarbeitung  [Funde vom Reisberg -2-]

=>  Bilder von der Sonderausstellung:
       Handwerker - Krieger -Stammesfürsten" im Fränkische Schweiz-Museum
       Tüchersfeld in einem PICASA-Webalbum
                                                                           
=>  Als am Reisberg die Waffen sprachen [Nürnberger Zeitung]

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