Ein Meisterwerk der frühen Bronzezeit:

Vom Dolch zum Schwert  von Bernd  Zieh

"In vielen Gegenden Mitteleuropas finden sich zu Beginn der Frühbronzezeit so genannte trianguläre Vollgriffdolche. Bei einfachen Varianten ist der Griff aus organischem Material, bei dem Dolch aus dem Depot von Schollene (Landkreis Stendal) dagegen besteht er aus Bronze (um 2000 v. Chr.).

Trotz starker Korrosion ist die Schwertklinge aus Sachsenburg (Thüringen) mit ihrer gerundeten Heftplatte und den noch schwach erkennbaren parallelen Linienbündeln im Schneidenbereich als »Sögeler Klinge« zu identifizieren (1700-1600v. Chr.).

Zu den größten Kuriositäten im Fundstoff der frühen Bronzezeit gehört das Schwert von Ätte in Dänemark. Hier wurde offenbar ein Bronzeschwert in Flintstein kopiert, und es stellt sich aus heutiger Sicht die Frage, welche Leistung höher zu bewerten ist, die eines Schwertschmiedes oder die des dänischen Flinthandwerkers.

Dolche aus Metall oder aus Flintstein kommen seit dem späten Neolithikum in zahlreichen prähistorischen Kulturen vor. Neben ihrer offensichtlichen Zweckbestimmung als Waffe wird ihnen von jeher auch die Rolle als Prestige-objekt beigemessen. Darüber hinaus gelten sie als typisches männliches Attribut.

Zu Beginn der Frühbronzezeit am Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. bildet sich eine charakteristische Form heraus, der so genannte trianguläre Vollgriffdolch, ein Dolch mit langer, dreieckiger Klinge. Seine Kennzeichen sind die beiden aus Bronze hergestellten Teilelemente Klinge und Griff, die mit Nieten zusammen­gefügt wurden. Neben diesen technisch recht anspruchsvollen Dolchen gab es auch einfachere, deren Griff aus organischem Material gefertigt war.

Trianguläre Vollgriffdolche zählen allgemein zu den bedeutendsten Leitfunden der mitteleuropäischen Frühbronzezeit. Sie treten sowohl in Depot- als auch in Grabfunden auf. Wenngleich die Anzahl der Dolche in den Deponierungen deutlich hinter der anderer Bronzen, wie Randleistenbeilen, zurückbleibt, stellen sie wegen ihrer ästhetisch hochwertigen Gestalt eine unübersehbare Erscheinung dar. Als Grabbeigabe unterstreichen Dolche grundsätzlich eine hohe gesellschaftliche Stellung der Bestatteten.

Am Ende der Frühbronzezeit (1700/1600 v. Chr.) tauchen die ersten Schwerter auf. Auch wenn sich in dieser Zeit Bronze als wichtiger Werkstoff durchsetzte, finden sich gelegentlich kunstvoll in Flintstein nachgestaltete Schwerter, wie das Exemplar von dem dänischen Fundort Ätte. Einige der bronzenen Schwerter wurden in dem gleichen technisch komplizierten Verfahren wie die Vollgriff-dolche hergestellt. Da die Aunjetitzer so schwierige Verfahren beherrschten, ist es erstaunlich, dass sie selbst keine eigenen Schwertformen entwickelten.

Die ersten Schwerter Mittel- und Nordeuropas stammen höchstwahrscheinlich aus Werkstätten, die im Karpatenbecken lagen, Nach einem berühmten rumänischen Fundort nennt man sie Apa-Schwerter. Rasch kam es anderenorts zu einer Eigenproduktion, die deutlich unter dem Eindruck dieser Erzeugnisse stand. So entwickelte sich jenseits der technologischen »Geburtsstätte« der Schwerter eine Schwert- und Schwertklingenform, die in der Fachwelt nach einem niedersächsischen Fundort als Sögeler Schwert bezeichnet wird. Ihr Merkmal ist die leicht geschweifte, durch einen dachförmigen Mittelgrat verstärkte Klinge. Diese besitzt überwiegend vier Nietlöcher im Bereich der gerundeten Heftplatte und eine Klingenverzierung aus parallelen Linienbündeln. Da die Griffe aus organischem Material bestanden, sind von den meisten Sögelschwertern nur die Klingen überliefert. In der Mittelbronzezeit verdrängt dann das Schwert den Dolch und wird zur dominanten Waffe wie auch zum bedeutendsten Prestigeobjekt des Mannes."
[Leseprobe aus '
Der geschmiedete Himmel', S. 132]
 


Bernd Zich: Vom Dolch zum Schwert - in: Der geschmiedete Himmel
(Herausgeber: H. Meller), Theiss Verlag 2004, S. 132/133

Robert Graf hat nun das Schwert von Ätte nachgebaut: ein Meisterstück!
 
Robert Graf  M.A.
Archäologie und Archäotechnik
Sonnenstr. 36
84543 Winhöring
Tel: +49 (0)8671/985533
    +49 (0)172/8509603
 
 
   Foto 2              Foto 3

 
Das Griffende ...                  ... und die Spitze des nachgearbeiteten Schwertes von Ätte    
 

=> Die Dolchklingen von Hollfeld-Schönfeld

=> Das Schwert von Ätte (Dänemark)


  Bild 1a                1b

Triangulärer Vollgriffdolch              Rekonstruktionsversuch
aus dem Depot von                          eines Fischschwanzdolches
Schollene, Lkr. Stendal;                   von Marquardt Lund;  
um 2000 v. Chr.                                  Länge: 24,7 cm
[Der geschmiedete H., S. 132]         [AiD 1/ 2012, S. 29]

 

   Bild 2     1c

Das Schwert von Ätte          Rekonstruktionsversuch eines
(Dänemark): ahmt Bronze     Fischschwanzdolches von
in Flintstein nach. [Der         Robert Graf, Winhöring 10/2012
geschmiedete Himmel,          (Typ IV D; Länge: 25cm).
S. 133]                                      Für einen Mittelgrat hat die Material-
                                                 stärke leider nicht ausgereicht.
 

  Bild 3

Stark korrodierte 'Sögeler Klinge'
aus Sachsenburg (Thüringen),
1700-1600 v. Chr.
[Der geschmiedete Himmel, S. 132]

 


  Foto 4 

So könnte das Schwert von Ätte früher ausgesehen haben.
[Nachbildung von Robert Graf, Winhöring
Fotos 2-4 von Daniel und Daniela Jelen]


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