Der Friedhof von Thurnau-Alladorf 

Anthropologische Auswertung

      8. / 9. Jahrh. n. Chr.

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Mehr Frauen als Männer 

Während sonst bei vergleichbaren Friedhöfen Männerbestattungen überwiegen, wurden in Alladorf von insgesamt 276 untersuchten Individuen 112 als männlich und 154 als weiblich bestimmt. Bei 10 Skeletten konnte das Geschlecht nicht sicher bestimmt werden.

Der total-Wert des Geschlechterverhältnisses lautet für Alladorf 40,6. Es kommen also, statistisch gesehen, mehr als zwei Frauen auf einen Mann. Erst bei den Spätmaturen findet sich dann ein deutlicher Männerüberschuss, danach bei den Frühsenilen wieder ein deutlicher Frauenüberschuss (siehe rechte Abb. 2). Diese auffällige Verteilung (Frauenüberschuss) kennt eigentlich keine Parallele, da sonst ein Männerüberschuss die Regel ist. 

Kinder und Jugendliche machen im Alladorfer Friedhof ca. 28,6% und soziale Erwachsene beiderlei Geschlechter (Juvenile bis Senile) ca. 75 % aus. 

Hohe Kindersterblichkeit
Bei den Kindern stirbt beinahe die Hälfte, ehe sie das erste Lebensjahr erreichen; danach sinkt die Sterberate stark ab. Zwischen 20 und 40 Jahren steigt die Sterblichkeitsrate bei Frauen und Männern fast gleichmäßig an, um dann bei den Frauen stark abzufallen, während sich bei den Männern zwischen 50 und 60 Jahren ein weiterer Höhepunkt in der Sterblichkeit zeigt.

Wenig Unfälle
Im Vergleich zu anderen Gräberfeldern wurden in Alladorf wenig traumatische Veränderungen, wie etwa Knochenbrüche, beobachtet. So wurde hier lediglich eine Kiefergelenkfraktur gefunden.
Hieraus schloss Röhrer-Ertl auf einen wenig unfallträchtigen Lebenswandel der hier Bestatteten.  

Zum Körperbau
Auffällig erschien dem Untersuchenden, dass in Alladorf und Weismain der Anteil graziler und sehr graziler Typen sehr hoch erschien. Auch wirkten sie insgesamt weniger körperlich beansprucht als sonst allgemein üblich. Die mittlere Körperhöhe betrug bei Männern 168 cm und bei Frauen 158 cm, wobei die letzten Werte, relativ gesehen, oberhalb von denen der Männer liegen.

Nach dem Tode zerschlagen?
Dem Bearbeiter Röhrer-Ertl fiel auf, dass viele Knochen anscheinend absichtlich zerschlagen worden waren. Dabei deuteten die aufgefundenen Spuren auf die Einwirkung halbscharfer Gewalt hin, also die Zerschlagung mazerierter (bereits abgelöster) aber noch von Sehnen zusammen gehaltenen Knochen mit einer schweren Hacke oder einem Spaten. Diese  Zerschlagung des Schädels und der Langknochen geschah nach Meinung von Röhrer-Ertl mit etwa 25 Schlägen, welche vom Fußende des Toten aus geführt wurden. Dem Leser sei es überlassen, ob er dieser Interpretation folgen mag. Tatsächliche Manipulationen an Skeletten wurden 2003 bei den Grabungen im Friedhof von Mockersdorf, Lkr. Neustadt an der Waldnaab, festgestellt.

Literatur
B. Leinthaler, Der karolingisch-ottonische Ortsfriedhof von Alladorf, Die Grabungskampagne 1984 (Lit. 16)
U. von Freeden, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Grafendobrach in  Oberfranken (Lit. 4, S. 474 f.)
O. Röhrer-Ertl, Slawen - Deutsche. Beiträge zum ethnischen Wandel aus anthropologischer Sicht (Lit. 31), 1999
W. Sage: Frühgeschichte und Frühmittelalter (in Lit. 1, bes. S. 215 ff.)
J. Haberstroh: Slawische Siedlung in NO-bayern (in Lit. 23, S. 713 ff.) 

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        Verteilung der Bestattungen nach Alter und Geschlecht
        [B. Leinthaler = Lit. 16, S. 23, Abb. 8]

            

         Zusammengesetzter Schädel
         
von der Bestattung 129 aus Alladorf
         [Umschlagbild von Lit. 31]


            ADL: 'Friedhof auf dem Lande' (1710-1760) zum Vergleich
            TAM: Thurnau-Alladorf Münch

            m: maskulin (männlich), f: feminin (weiblich), n: 266 bestimmbare              

            
      iI iII j fa sa fm sm fs ss
        (infans, juvenil, adult, senil  -  f= früh, s=spät) 
        [= Säugling, Kleinkind, Kind, Jugendlicher, Erwachsener, Greis]

      Abb.1                                                            Abb.2 
   
   Absterbeordung                           Maskulinitätsindex 
       des Friedhofes von Alladorf                     des Friedhofes von Alladorf
       [Aus: Slawen - Deutsche = Lit. 31, S. 124, Abb.1, 125, Abb.2]

 

 

      => Körperhöhe

     Körperhöhenverteilungen: Summenprozentkurven
     für Männer (gefüllte Dreiecke) und Frauen (offene Kreise)
     Aus: Slawen - Deutsche = Lit. 31, S. 125, Abb. 3


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