Ausgrabungen am Rauhen Kulm 2006/2007

       [Zurück zu den Ausgrabungen von 2003]

Archäologische Untersuchungen am Rauhen Kulm
in der Flednitz (Hans Losert): 1. Teil

"Ganz in der Nähe von Kemnath liegt eine der auffälligsten Landmarken Nordostbayerns; wären da nicht unterschiedliche historische Grundlagen und die heutige Landkreisgrenze, könnte man den Rauhen Kulm leicht als Kemnaths Hausberg bezeichnen. Der gleichmäßige Kegel überragt mit 683,5 Meter Höhe die Oberpfälzer Senke bzw. das nördliche Oberpfälzische Bruchschollenland um bis zu 233 Meter. Zusammen mit dem unmittelbar benachbarten Kleinen oder Schlechten Kulm am Nordwestrand von Neustadt (Abb. 1), dem Waldecker Schloßberg, Armesberg sowie Parkstein gehört er zu einer Reihe von Basaltmassiven, die auf vulkanische Aktivitäten zurückgehen. Der Berg im südlichen Fichtelgebirgsvorland machte in allen Epochen auf den Menschen Eindruck und so verwundert es kaum, dass dieser nicht erst im hohen Mittelalter aufgesucht und befestigt wurde.

[Frühe Forschungen]
Im Bereich des außergewöhnlichen Natur- und Kulturdenkmals, um das sich zahlreiche Sagen ranken
(1), fanden bereits sehr früh archäologische Schürfungen statt (Abb. 1-3). Die in den Jahren 1908-1910 von Major Dr. Adalbert Neischl (1853-1911) im Auftrag der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg durchgeführten Untersuchungen, deren Ergebnisse 1912 posthum von Prof. Dr. Hugo Obermaier in einer für die Zeit vorbildhaften Monographie vorgelegt wurden, belegten, dass der Rauhe Kulm vom Neolithikum an immer wieder aufgesucht wurde, obgleich vorgeschichtliche Funde sonst aus der näheren Umgebung bis in jüngste Zeit fast völlig fehlten (siehe den Beitrag Gabriele Raßhofer in diesem Band). Die frühe Bedeutung des Platzes wird durch ein in den späten 1960er-Jahren aufgelesenes und hier im Schuttkegel möglicherweise als Opfer niedergelegtes unbenutztes Bronzebeil der späten Bronzezeit unterstrichen. (2) Keramik und Eisenobjekte des 8./9. nachchristlichen Jahrhunderts (Abb. 3) sprachen seit den Untersuchungen von Neischl dafür, dass hier ein zentraler Ort der Karolingerzeit bestand. [Neischl 1912: Planbeilage II]

[Zum Namen Kulm]
Die Bezeichnung Kulm wurde vom germanischen, wohl gotischen *hulmaz für Hügel über das altslawische ch-
'blm'b in allen slawischen Sprachen als Bezeichnung für Hügel und Berg übernommen. (3) Verwandt ist das lateinische culmen - Gipfel, Kuppe, das im Schweizerdeutschen als Kulm, Chulme(n) oder Gul-m(en) für oberste Bergkuppe gebraucht wird. Flurnamen wie Kolm, Külmitz, Kolmacker etc. sind im Gebiet zwischen Obermain und Naab sehr häufig. Ernst Schwarz nahm daher an, dass Kulm hier auch von Franken und Bayern aus dem Slawischen entlehnt wurde (4) und bezieht das Egerland bzw. obere Egergebiet, wo mit dem 1432 erstmals genannten Rauhenkulm beim Wallfahrtsort Maria Kulm (Chlum-Svate Mari) 14 km nordöstlich von Eger eine bemerkenswerte Namensentsprechung vorliegt, in die Zone der nordbayerischen Kulme ein. (5)

Der Berg bildet den natürlichen Mittelpunkt einer historischen Siedlungslandschaft an der oberen Heidenaab (Abb. 16-17), deren slawischer Name, wie Michael Neubauer und Bernd Thieser nachweisen konnten, (6) seit dem späten Mittelalter als Flednitz überliefert ist. (siehe den Beitrag von Wolfgang Janka in diesem Band). Vergleichbare Bezeichnungen einer im weitesten Sinne wasserreichen bzw. sumpfigen Landschaft lassen sich bis in die Ostalpen nachweisen, für Nordbayern ist schon 1009 ein aqua Fladniza von altslawisch Blat'bnica für Sumpfbach zu altslawisch blato -Sumpf, heute Flanitz, Lkr. Regen belegt. (7)

[Zupane - Vertreter des örtlichen Adels]
Die verhältnismäßig späten Nennungen von Zupanen - ursprünglich bei den Awaren Bezeichnung für den Anführer eines Stammes
(8) - hier entweder eine slawische Bezeichnung für Vertreter des örtlichen Adels und/oder den Vorstehenden eines überschaubaren slawischen Siedlungsverbandes - 1259 Henricus de Berensteine Suppanus nach einem Ort 4 km nördlich von Windisch Eschenbach, Lkr. Neustadt/ Waldnaab, 1260 der Graf von Murach, genannt Suppan bei Oberviechtach, Lkr. Schwandorf, (9) 1270 Suppanus Heinricus de Bernstein (10) und 1272 Heinri(cus) de Bibrach suppanus aus Oberbibrach, Lkr. Neustadt/Waldnaab 6 km südöstlich vom Rauhen Kulm (11) - sowie zeitgleiche Analogien aus den Bistümern Bamberg und Würzburg (12) sprechen für slawische Sprachlichkeit auf dem Lande, und mit den beiden Nennungen im Norden der Oberpfalz auch in der Flednitz, noch im 13. Jahrhundert. Die erst seit dem hohen Mittelalter erfolgende Ausweitung des bayerischen Dialekts bis ins Fichtelgebirge und Egerland zeugt vom langen Prozeß bayerischer Ethnogenese bzw. Assimilation der Slawen, (13) der im Norden und an der nordöstlichen Peripherie, im Egerland und Teilen Westböhmens auch später noch andauerte.

[Geschichte der Burg im Hochmittelalter]
Schriftquellen zur Entstehung der hochmittelalterlichen Burg auf dem Gipfelplateau des Rauhen Kulms sind nicht bekannt. Die Nennung des Leuchtenbergers Bucco de Culmen an erster Zeugenstelle in der Stiftungsurkunde des Benediktinerklosters Michelfeld bei Auerbach von 1119
(14) weist zwar auf einen Ansitz, jedoch ist unbekannt, ob sich dieser auf dem Rauhen oder Kleinen Kulm befand. Erwogen wurde auch Identifizierung von Culmen mit dem Ort Kulmain 8 km nordnordöstlich vom Rauhen Kulm.(15)1281 verpfändete Landgraf Friedrich von Leuchtenberg das castrum Culme an Burggraf Friedrich III. von Nürnberg, aus dessen Geschlecht die hohenzollernschen Markgrafen von Ansbach-Kulmbach-Bayreuth hervorgingen.(16)

1370 erlaubte Kaiser Karl IV. dem Nürnberger Burggrafen Friedrich V, eine Stadt zwischen den Vesten auf dem Rauhen und Kleinen Kulm zu gründen. Die Burgen konnten von hussitischen Verbänden 1430 nicht eingenommen werden, während Neustadt ein Raub der Flammen wurde. 1462 wurde Neustadt im Fürstenkrieg von seinen Bürgern in Brand gesetzt, die dann in der Burg auf dem Kleinen Kulm Zuflucht suchten. Anlaß war, dass Bayern bzw. böhmische Söldner in markgräfliches Gebiet eingefallen waren, nachdem Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg von Kaiser Friedrich die Vollstreckung der Reichsacht über Herzog Ludwig den Reichen von Bayern-Landshut und den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz übertragen wurde. (17)

Über das Aussehen der frühneuzeitlichen Anlage vermittelt die anläßlich von Grenzstreitigkeiten angefertigte Göppmannsbühlkarte von 1531 (Abb. 4) einen guten Eindruck.(18) Der durch den zollernschen Markgrafen Albrecht Alcibiades von Kulmbach angezettelte Markgrafenkrieg (1552-54) bedeutete das Ende beider Befestigungen. Nach einjähriger Belagerung durch Truppen der Reichsstadt Nürnberg, eindrucksvoll illustriert durch ein zeitgenössisches Flugblatt (Abb. 5), mußte der Kommandant 1554, als Munition und Proviant erschöpft waren, die Veste auf dem Rauhen Kulm übergeben. Die Burgen wurden daraufhin gründlich geschleift und nicht wieder aufgebaut.

Die beiden zeitgenössischen Darstellungen (Abb. 4-5) zeigen deutlich, dass es für die Verteidigung unerläßlich war, stets über gute Sicht zu verfügen und dem Angreifer keine Deckung zu geben, weshalb die Berghänge, aber auch das weitere Vorfeld der Befestigung unbewaldet waren. Das heute teils von wertvoller Vegetation geprägte Bild des Rauhen Kulms steht dazu in großem Gegensatz.

Von der Belagerung der Gipfelburg durch die Hussiten oder den Auseinandersetzungen während des Fürstenkrieges zeugen vielleicht Scherben spätmittelalterlicher Keramik, die im Torbereich des frühmittelalterlichen Ringwalls, aber auch an anderen Stellen angetroffen wurden, sowie zwei Armbrustbolzen (Abb. 6).

Archäologische Quellen des frühen bis hohen Mittelalters aus der mittleren und nördlichen Oberpfalz sind in erster Linie Gräber (Abb. 25), Siedlungen und Burgen. Sie bestätigen, dass diese Region vielschichtigen Prozessen ausgesetzt war, an denen Franken, Bayern, Slawen bzw. Naabwenden und als wichtiger Traditionsträger auch die namenlose autochthone Bevölkerung beteiligt waren.


Anmerkungen
(1) Fähnrich 1994.(siehe Literaturverzeichnis).
(2) Bayerische Vorgeschichtsblätter. Beiheft 5. 1992. Fundchronik für das Jahr 1989: 58, Abb. 35;
(3) Eichler, Greule, Janka & Schuh 2006: 77-79, Schwarz 1960: 228-230, 389. Nordbayerische Beispiele sind Culm, Lkr. Coburg (Schwarz 1960: 229), Culmberg (heute Sophienberg), Lkr. Bayreuth (Eichler, Greule, Janka & Schuh 2006: 79-80, 127, 251, 253, 262, 264, Schwarz 1960: 229), Kolmberg, Lkr. Amberg-Sulzbach (Schwarz 1960: 229), Kollmitz, Lkr. Cham (Schwarz 1960: 229), Kühlenfels (1326-1328 Kulmleins), Lkr. Bayreuth (Eichler, Greule, Janka & Schuh 2006: 126-128, 251, 257, 262, 264, (5) Schwarz 1960: 229), Kulmain, Lkr. Tirschenreuth (Eichler, Greule, Janka & Schuh 2006: 59, 279, Häusler 2004: 70, Schwarz 1960: 229, 284), Kulmbach (Schwarz 1960: 229-230), Kulmhof, Lkr. Schwandorf (Häusler 2004: 114, Schwarz 1960: 229) oder Kulz, Lkr. Schwandorf (Schwarz 1960: 229).
(4) Schwarz 1960: 389, Verbreitungskarte Deckblatt 11.
(5) Schwarz 1960:230.
(6) Neubauer & Thieser 1995, 2001, Neubauer & Thieser 2007: Abb. 2
(7) Schwarz 1960: 195, 322.
(8) Brather 2001: 313-314.
(9) Wagner (Bearb.) 1952: 33-34; Neubauer & Thieser 1998: 53-54.
(10) Gradl (Hrsg.) 1886: Nr. 277,  101; Neubauer & Thieser 1998: 53-54.
(11) Lickleder 1995: Nr. 27, 13-14; Neubauer & Thieser 1998: 53-54.
(12) Guttenberg 1927: 39, Fußnote 185, Jacob 1982: 15-16.
(13) Herrmann, E. 1968.
(14) Monumenta Boica 1823: 546.
(15) Häusler 2004: 70.
(16) Gütter 1997: 133.
(17) Kunstmann 1965: 199-200
(18) Neubauer 2001.


Das 2002 ins Leben gerufene österreichisch­deutsche Forschungsprojekt 'Die Oberpfalz und ihre Nachbarregionen im frühen und hohen Mittelalter' des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien (Erik Szameit) und des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (Hans Losert) hat sich die Erforschung damit verbundener Fragestellungen zum Ziel gemacht. (19)

Seit Sommer 2004 finden nach 94 Jahren in diesem Rahmen auf dem Rauhen Kulm wieder Ausgrabungen statt. (20) Es wurden fünf Stellen im Bereich der unteren Umwehrung an der von Neustadt am Kulm abgewandten Ostseite ausgewählt, (21) wobei gewährleistet war, dass die Untersuchungen nicht Schäden an dem eindrucksvollen, bis zu 12,5 m breiten und von außen teils noch 2 m hohen Wall anrichteten (Abb. 7). Die Nordhälfte des Ringwalls aus mächtigen Basaltblöcken durchschnittlich etwa 70 m unterhalb des Gipfels wurde im späten 19. Jahrhundert bei der Anlage einer Rampe, dem Steinsträßl, zum Abtransport von Basalt für den Straßen- und Schienenbau stark verändert und durch einen tiefen Steinbruch am Osthang zerstört (Abb. 2). Ein Durchgang im Süden geht vielleicht auf die Anlage eines Wanderpfads im 19. Jahrhundert zurück, während das Zangentor im Osten alt ist.

[Aufbau des Ringwalles]
Der innen senkrecht zum Wall (Abb. 7) angelegte Schnitt l unmittelbar an der Südwange des Osttores zeigte, dass hier nur 4-5 m von der Wallinnenseite entfernt, heute stellenweise unter besagtem Wanderweg, eine noch etwa l m hoch erhaltene weitere Front verläuft, die möglicherweise zu einer Pfostenschlitzmauer gehört (Abb. 8). Keramikfunde aus anschließenden Schichten sprechen nach derzeitigem Kenntnisstand für Entstehung im 5. vorchristlichen Jahrhundert (siehe den Beitrag von Gabriele Raßhofer in diesem Band). Eine 2007 begonnene großflächige Schnitterweiterung im Bereich des ehemaligen Ringwanderwegs, wo neben zahlreichen vorgeschichtlichen Scherben und drei Pfeilspitzen aus Flint in ganz geringer Tiefe ein silberner Schläfenring mit S-Schleife, möglicherweise stumpfem Reifende und einer aufgeschobenen Holzperle [Abb. 9]
(22) wohl des 9. Jahrhunderts angetroffen wurde, soll die Abfolge und Bedeutung der hier recht komplizierten Befunde endgültig klären.

Schnitt 2 galt 2004 der Untersuchung eines etwa halbkreisförmigen Podests direkt am Fuß des Geröllkegels gegenüber der Nordwange des Osttores (Abb. 10). Die zahlreichen, teils gestaffelten Podeste im schmalen Streifen zwischen Schuttkegel und Ringwall im Süden, Südosten und Osten [Abb. 2] (23) sind am ehesten Fundamente frühmittelalterlicher Holzbauten, nahe am Tor boten sie zusätzlich Schutz des Zugangs. Ähnliche Strukturen allerdings aus vorgeschichtlicher Zeit finden sich etwa im Bereich der Befestigung auf dem Basaltmassiv des Schafberges bei Löbau in der Oberlausitz. (24)

Die Nordhälfte des 300 m durchmessenden Ringwalls durchschnittlich etwa 70 m unterhalb des Gipfels wurde im späten 19. Jahrhundert bei der Anlage einer Rampe zum Abtransport von Basalt für Straßen- und Schienenbau stark verändert und durch einen tiefen Steinbruch am Osthang zerstört (Abb. 2). Zur Vorbereitung einer Erweiterung wurde der Wall auf etwa 35 m Länge abgetragen, kurz bevor die Basaltgewinnung endgültig eingestellt wurde. Hier bestand die Hoffnung, dass ohne großen Aufwand, den ein Schnitt (Schnitt 3) durch die erhaltene Umwehrung erfordert hätte, deren Struktur rekonstruiert werden könne. Ein dichtes Netz aus starken Wurzeln und schweren verlagerten Basaltblöcken verhinderte jedoch die rasche Freilegung archäologischer Befunde. Erst unmittelbar vor Abschluß der Kampagne 2005 bestätigte sich die Vermutung, das im Ringwall eine zweifrontige Trockenmauer steckt (Abb. 11). Für die mittlere und südliche Oberpfalz typische im Randbereich nachgedrehte Goldglimmerware sowie rauwandige Scherben mit Quarzsand und weniger deutlichen Glimmeranteilen (Abb. 13-14), darunter auch eindeutig slawische Keramik, datieren diese ins 8. bis 10. Jahrhundert. Dazu kommt der Rest eines eisernen Sporns und ein Hufeisen (Abb. 15) der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts mit zahlreichen Analogien etwa von der ungarnzeitlichen Umwehrung auf dem Runden Berg bei Urach, Lkr. Reutlingen am Nordwestrand der Schwäbischen Alb.
(25)

Am Ringwanderweg oberhalb des Wallschnitts zeigte sich in einer verhältnismäßigen großen einigermaßen ebenen Fläche (Schnitt 5), dass auch hier zwar zahlreiche Funde der Vorgeschichte und des frühen (Abb. 12, 14) bis späten Mirtelalters (Abb. 6) zu erwarten sind, neben dem rezenten Waldhumus und einem Verwitterungs­ bzw. Mischhorizont über dem anstehenden, natürlich gewachsenen Boden aber kaum Kulturschichten zu differenzieren sind. Die sonst für intensiv genutzte Plätze häufigen Siedlungsgruben konnten hier bislang nicht festgestellt werden, so dass sowohl während der Vorgeschichte als auch im frühen Mittelalter bis ins 10. Jahrhundert mit Blockbauten, die im Boden kaum Spuren hinterließen, zu rechnen ist.

Die frühmittelalterliche Hangmauer wurde spätestens um 900 durch eine mächtige Anschüttung von Basaltblöcken gegen die Vorderfront in einen breiten Wall umgewandelt, wobei möglicherweise zunächst auch ein Abrutschen der Vorderfront verhindert werden sollte. Die zeitliche Einordnung stützt die Beobachtung in Schnitt 4, dass in vorgelagerten, den Weg zum Tor begleitenden bogenförmigen Terrassen (Abb. 2) gestaffelte Annäherungshindernisse stecken, wie sie typisch für Befestigungen der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts gegen die Ungarn sind. (26) 948 siegte der bayerische Herzog Heinrich I. (* um 920, 948 Herzog, + 955) über die Ungarn, die neuen Nachbarn der Bayern im Südosten, bei Floß in Nordgowe, 949 folgte eine Niederlage an der Luhe, (27) Die Ereignisse - nur etwa eine Tagesreise vom Rauhen Kulm entfernt - betonen die strategische Bedeutung der Fernwege in der nördlichen Oberpfalz und zeigen, dass es hier für die Ungarn durchaus etwas zu holen gab.

Als Bauherren für diesen Wall, dessen Errichtung einen erheblichen Arbeitsaufwand darstellte, zumal dazu ja auch noch für die Verteidiger auf der Wallkrone hölzerne Laufgänge und eine Brustwehr gehört haben mußten, kommen am ehesten die Schweinfurter Markgrafen in Frage. (28) Es würde sich dann neben der Anlage von Bayreuth-Laineck um deren am weitesten im Nordosten gelegenen Stützpunkt handeln, (29) falls nicht auch die Burg zu Eger (30) in deren Besitz war. Träfe letzteres zu, dann wären diese Befestigungen zumindest im 10. Jahrhundert Bestandteile einer nordbayerischen Mark gegen Böhmen, (31) in der der Landesausbau überwiegend von Slawen getragen wurde.

[Eine wichtige Landmarke]
Der Rauhe Kulm bildete wie andere markante Gipfel, etwa des Parksteins, wohl in allen Menschheitsepochen einen wichtigen Orientierungspunkt für Menschen, die auf Mobilität im weitesten Sinne angewiesen waren. Die Lage der Landmarke an bis in die Gegenwart genutzen Fernwegen,
(32) etwa vom Donaugebiet um Regensburg nach Mitteldeutschland oder ins Obermaingebiet, aber natürlich auch von Westen über das Egerland oder Pilsen nach Böhmen steht damit in unmittelbarem Zusammenhang.

Noch zu klären ist, in welche Zeit die in allen Sondagen vor allem aber in Schnitt 4 an einem der Annäherungshindernisse vor dem Tor angetroffenen Eisenschlacken (33) gehören, wann das Gipfelplateau, wo Reste von Trocken­mauern durchaus für frühe Zeitstellung sprechen, erstmals befestigt wurde und wie die Entwicklung hin zur wahrscheinlich 1119 erstmals genannten und 1554 zerstörten Gipfelburg verlief. Die Grabungen werden daher fortgesetzt. (34)

 


Anmerkungen -2
(19) Lehrgrabungen fanden bislang in einer frühslawischen Siedlung bei Dietstätt, Lkr. Schwandorf (2002, 2005, 2006, 2007), in der Nekropole von Mockersdorf (2003, 2004) und im Bereich des Ringwalls am Rauhen Kulm (2004, 2005, 2006, 2007) statt.
(20) Losert 2006: 60-61, Losert 2007, Losert & Szameit 2005, Raßhofer 2007.
(21) Stroh 1975: 228-229, Beilage 8.
(22) Derartige aufgeschobene Perlen aus organischem Material sind sehr selten nachzuweisen; bedingt vergleichbare Ringe aus der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit bildet Quast (2000: Abb. 5) ab.
(23) Neischl 1912: Planbeilage II, Stroh 1975: Beilage 8.
(24) Gerlach 2008: Abbildung S. 68 (freundlicher Hinweis Norbert Hübsch, Bayreuth), Gerlach & Simon 1989: Abb. 1.
(25) Koch 1984: Taf. 13-14, Taf. 15; 1-16.                        
(26) Ettel 2001: 206-207.
(27) Reindel 1981: 292, Schuster 1990: 50-51.
(28) Ettel 2001: Abb. 84, Schneider & Schneidmüller (Hrsg.) 2004.
(29) Abels& Losert 1986.
(30) Hejna 1967, 1968, 1971, Nitz 1991, Stloukal, Szilvässy & Sebesta 1988.
(31) Den Beziehungen zwischen Nordostbayern und dem Egerland soll sich ein für 2009 geplantes archäologisches Symposium des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sowie des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Karls-Universität Prag widmen.
(32) Dollacker 1938, Emmerich 1955, Manske 2003, siehe besonders Häusler 2004: Abb. 8.
(33) Bei frühhochmittelalterlicher Zeitstellung wäre ein Zusammenhang mit der eindrucksvollen Pingenreihe der 10 km vom Rauhen Kulm entfernten Bärenlöcher nordöstlich von Speichersdorf nicht auszuschließen.
(34) Die archäologischen Untersuchungen am Rauhen Kulm wären ohne die großzügige Unterstützung durch viele historisch interessierte Personen und zahlreiche örtliche und überregionale Institutionen nicht möglich gewesen. Allen Helfern und Gönnern gilt an dieser Stelle unser herzlicher Dank. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Otnant-Gesellschaft für Geschichte und Kultur in der Euregio Egrensis, die im Rahmen ihres von der Europäischen Union geförderten grenzübergreifenden Projektes „Siedlung - Sprache - Straße. Siedlungsgeschichte in der Euergio Egrensis" die Grabung am Rauhen Kulm überhaupt erst möglich gemacht hat.

[Hans Losert in: Neubauer, Michael und Thieser, Bernd: Archäologische Untersuchungen am Rauhen Kulm in der Flednitz: 65-87. In: Kemnath 1000 Jahre ... und mehr (Heimatbuch zum 1000-jährigen Bestehen) 2007 - Zwischenüberschriften vom Bearbeiter]


                 

                       Hans Losert bei einer Führung: 26.08.2005 [Foto: D. Sch.]

 

=> Weiter zum 2. Teil 2006/2007

      [zurück zur Übersicht]    
 


Abb. 1: Neustadt mit dem Rauhen Kulm im Osten und dem
Kleinen Kulm im Westen sowie Mockersdorf mit der slawischen
Nekropole des 8./ 9. Jahrhunderts. [nach Neischl 1912: Planbeilage I]

 



Abb. 2: Rauher Kulm, Plan der Befestigungen
             [Neischl 1912: Planbeilage II - Hans Losert]
              rot eingezeichnet: Nr. der Grabungsschnitte

 

Abb. 3: Rauher Kulm. 1-12 Fundauswahl der Grabungen
von Adalbert Neischl 1908-1910. 1 Vorgeschichte oder
frühes Mittelalter, 2-12 frühes Mittelalter. 1-8 Keramik,
9-12 Eisen. M 1 : 2.

 

 

Abb. 4: Älteste bekannte Darstellung des Rauhen Kulms
mit der zollernschen Burg. Deutlich zu erkennen ist ein
zentraler Turm, davor ein größeres Gebäude sowie eine
Mauer mit bastionsartigen Türmen und am Fuß des überhöhten Bergkegels Neustadt am Kulm. Ausschnitt aus der anläßlich
von Grenzstreitigkeiten zwischen den Mark- und Pfalzgrafen angefertigten Göppmannsbühlkarte von 1531 [Neubauer 2001, Staatsarchiv Bamberg, A 240 Karten und Pläne, Nr.107R].
 

 

Abb. 5: Belagerung der markgräfl. Veste auf dem Rauhen Kulm durch Truppen der Reichsstadt Nürnberg im Jahre 1554, links (westlich) Neustadt am Kulm und die Burg auf dem Kleinen Kulm. Zeitge-
nössischer Nürnberger Holzschnitt. [Aus Neischl 1912, Abb. 4].

 

Abb. 6: Rauher Kulm, Kampagne 2006. Armbrustbolzen wohl des 15. Jahrhunderts aus dem Waldhumus nahe der Wallinnenseite
(Schnitt 5). [Foto: Hans Losert]

 

 

 

Abb. 7: Kampagne 2004. Blick nach Osten auf die Umwehrung
von der Innenseite (Schnitt 1).                      [Foto: Hans Losert]

 

 

Abb. 8: Kampagne 2004. Blick nach Westen auf die Vorderfront der inneren, vielleicht vorgeschichtlichen Mauerfront (Schnitt 1).
[Foto: Hans Losert]

 

Abb. 9: Kampagne 2007. Silberner Schläfenring (Reifdurchmesser ursprünglich 5,5-6 cm, unrestauriert) wohl des 9. Jahrhunderts mit aufgeschobener Holzperle (Schnitt l, Erweiterung 2007).
[Foto: Hans Losert]

 

 

 

Abb. 10: Kampagne 2004. Blick nach Westen auf das Podest für einen Holzbau am Fuß der Blockhalde direkt am Zangentor (Schnitt 2).
[Foto: Hans Losert]

 

 

Abb. 11: Kampagne 2006. Profil durch den unteren Ringwall; deutlich zu erkennen ist die zweifrontige Trockenmauer im Kern und die von außen erfolgte Wallschüttung.                          [Foto: Hans Losert]



 

Abb. 12: Kampagne 2004-2006. Keramik des 8./9. Jahrhunderts aus der von innen an die Trockenmauer anstoßenden Kulturschicht (Schnitt 3). Maßstab = 5 cm.                              [Foto: Hans Losert]

 

 

Abb. 13: Kampagne 2004 - 2006, Keramik des 8./9. Jahrhunderts aus der im Innern an die Trockenmauer anstoßenden Kulturschicht (Schnitt 3) oberhalb des Wallschnitts 3. Maßstab = 5 cm.    
[Foto: Hans Losert]

 

 

Abb. 14: Kampagne 2006. Keramik des 8./9. Jahrhunderts
aus Schnitt 5 oberhalb des Wallschnitts 3.
[Zeichnung: Hans Losert]

 

 


Abb. 15: Kampagne 2004. Hufeisen (Länge 10 cm) der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts aus dem zerstörten Wallbereich (Schnitt 3). [Zeichnung: Hans Losert]


=> Luftbilder vom Rauhen Kulm


=> Weiter zum 2. Teil 2006/2007

     [zurück zu den Ausgrabungen
      am Rauhen Kulm 2003
]

     [zurück zur Übersicht]

 Rauher Kulm, Wall mit Toranlage, von außen gesehen [Foto: K. Graf]


  nach oben           [home]                                                                                                   Dieter Schmudlach - 10.02.08.2010/14.09.2010