PERSONENBEZOGENE ORTSNAMEN UND IHRE BEDEUTUNG FÜR DIE
FRÜHMITTELALTERLICHE SIEDLUNGSGESCHICHTE AM OBERMAIN

 

von

Ruprecht Konrad

 

Bei einer Untersuchung zum Namens- und Personenumfeld des Rebellen Hartrat, der sich 785/86 gegen Karl den Großen verschworen hatte, wurde deutlich, dass sich einige dieser Namensgruppen auch in Ortsnamen der Obermainregion wiederfinden. So erscheinen im Gebiet am mittleren Obermain zwischen Itz, Baunach und jenseits des Mains bis zur Aurach diesbezügliche Ortsnamen zumeist mit dem Grundwort -dorf und einem Personennamen als Bestimmungswort, in dem wohl der Ortsgründer bzw. Grundherr benannt ist. Um bei der Zuordnung Zufälligkeiten weitgehend auszuschließen, wird man vor allem auf den zeitlichen Kontext dieser Personen und mögliche gegenseitige Beziehungen zu achten haben. Als Quellenbasis wurden im Folgenden die Überlieferungen der Klöster Weissenburg/Elsaß, Lorsch/Rhein, St. Gallen, Fulda und Hersfeld, aber auch der bayerischen Bistümer Freising, Passau und Salzburg herangezogen. Schließlich richtet sich der Blick auf die gesellschaftliche Zuordnung dieser Personengruppen im Kontext der frühmittelalterlichen siedlungs-und herrschaftsgeschichtlichen Entwicklungen der Region.

Es handelt sich beispielhaft (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) um folgende Orte (s. Karte):

1. Hattersdorf und 11. Harsdorf: zum Personennamen Hartrat

2. Bodelstadt: Botolf und †Eglofsdorf: Egilolf

3. Frickendorf: Friccho

4. Rentweinsdorf: Rantwig

5. Reckendorf: Recho, Recko

6. Rattelsdorf: Ratolf, Radulf

7. Döringstadt: Turinc oder „Thüringer“

8. Unnersdorf: Unroch

9. Trunstadt und 10. Trumsdorf: Troant

12. †Bibeningen: Bibi/Pipi

13. Albersdorf: Albolt/f

14. Walsdorf: Walah

15. Knetzgau

Das Gebiet wird begrenzt im Westen durch die Haßberge, im Norden durch die Ausläufer des Thüringer Waldes, im Osten durch die Itz, im Süden vom Main bzw. vom Vorland des Steigerwaldes. Darüber hinaus wird nach Osten auch die nördliche Frankenalb und der Fichtelgebirgsrand am Oberlauf des Weißen Maines einbezogen: Diese Regionen haben einen gemeinsamen siedlungsgeschichtlichen Kontext.

Die hier zu behandelnden Orte gehören zu einem fast geschlossenen Gebiet vom Ortsnamentypus -dorf, das sich von der Regnitz-Mündung nach Nordwesten zur Itz und die Baunach entlang bis zum Ostrand der Haßberge erstreckt. Sie gehören einer jüngeren Siedlungsperiode des Frühmittelalters an. Sie schließen einige ältere Orte vom Namenstypus -stadt (Bodel-, Döring- Trunstadt) ein. Die älteren Ortsnamentypen -leben,-ing(en), -heim und die Mehrzahl des Ortsnamentypus -stadt/statt reichen von Westen und Nordwesten her bis zur Fränkischen Saale und zu den Haßbergen bzw. zum westlichen Steigerwald-Vorland. Entlang der Regnitz und des Obermains läuft diese Siedlungszone im nördlichen Albvorland allmählich bis Burg-, Altenkunstadt aus.

Frühe Zentralorte sind erkennbar mit der karolingischen Pfalz Salz an der Fränkischen Saale, den spätmerowingischen Königshöfen (Bad) Königshofen (742)/Grabfeld, Hallstadt (742, 805) und Königsfeld (Kunigeshouen in montanis contra Boehmiam, 742, 802/17).

Mit diesen zentralen Wirtschafts-und Verwaltungszentren sind auch frühe Fernhandelswege definiert, die als „Heer-“ und „Hohe Straßen“ die Erschließungsachsen der Landschaft bilden. Sie sind u. a. erkennbar an den Ortsnamentypen -feld, -brunn. Ihre Funktion für den Fernhandel unterstreichen die Judenfriedhöfe wie in Reckendorf und Walsdorf. Die Fortsetzung des Altstraßensystems nach Thüringen in Richtung Erfurt verlief über Hildburghausen-Schleusingen, den Schmiedefelder Pass in Richtung Arnstadt. Eine östliche Route zog vom Königshof Forchheim (805) auf dem „Judenweg“ über die Alb nach Burg Kunstadt und von dort über den Frankenwald Richtung Saalfeld. In Königsfeld kreuzte sie eine west-östlich verlaufende „Heer-“ und „Hochstraße“ vom Regnitztal in Richtung Fichtelgebirge, zur Eger und nach Böhmen. Wichtig waren für dieses Verkehrssystem vor allem die Flussübergänge über den Main, z. B. bei Schweinfurt, Wonfurt und Haßfurt. Den Verkehrswegen zu Wasser kommt zu dieser Zeit eine hohe Bedeutung zu: mainaufwärts bis zu den Stromschnellen östlich von Staffelstein, regnitzaufwärts bis ins Quellgebiet von Rezat und Altmühl im Bereich des „Karlsgrabens“. Sie sind gesichert durch frühmittelalterliche Befestigungen wie dem „Judenhügel“ bei Klein-Bardorf, der „Schwedenschanze“ bei Hofheim, den Befestigungen an den Main-Regnitzfurten bei Hallstadt (-Bamberg), der Mainfurt bei Staffelstein am Banzer Forst, am Kunstädter Mainübergang sowie auf der Albhochfläche um Königsfeld und den Kasendorfer Turmberg. Ebenso war auch eine Nord-Süd-„Heerstraße“ von Thüringen über den Frankenwald entlang der „Fränkischen Linie“ mit der Grünbürg/(Stadt) Steinach, der „Hohen Warte“/Berneck, dem Pensen/Bayreuth bis zum Kulm/Kemnath und weiter bis zur Donau nach Regensburg befestigt.

Auffällig sind sieben über das Gebiet zwischen Itz und den Haßbergen verteilte Ortsnamen Sulz-, heim, -feld, -dorf, die an sich schon eine Entstehung über einen längeren Zeitraum hinweg verdeutlichen. Im Zusammenhang mit dem Fiskalort (774) und der karolingisch-ottonischen Königspfalz Salz (palatium, magna palatium sedes Salze 790, bis ca. 966 Königspfalz) an der Fränkischen Saale, dem „Salzfluss“, sowie dem Gewässernamen Sulz (zur Lauter) wird wohl die Gewinnung von Salz bezeichnet, über dessen Produktion und Verteilung keine Überlieferungen bekannt sind. Es gibt jedoch Hinweise: An den im Diedenhofener Capitulare Karls des Großen von 805 genannten Handels-Kontrollorten wird deutlich: Bardowick an der Unterelbe ist im Mittelalter durch seine (Lüneburger) Salzvorkommen bedeutend. Magdeburg mit dem „Salzgau“ und den Salzlagern in Halle ist wichtiger Salzlieferant. Erfurt, Königsfeld (-Forchheim) und Premberg (mit dem Sulz(!)-bacher Erzrevier) sind zudem Zulieferer der für die „Rüstungsindustrie“ wichtigen Eisenerze, wobei durch Premberg die mittelalterliche „Salzstraße“ nach Osten führt: in Richtung Böhmen, wo aufgrund der geologischen Gegebenheiten keine Salzlagerstätten vorhanden sind. So wird auch Hallstadt (805) Durchgangsort des Salzhandels nach Osten gewesen sein: Die „Hohen Straßen“, ausgehend von der Pfalz Salz, führen westlich und östlich an den Haßbergen entlang in Richtung Hallstadt bzw. über Main und Steigerwald in Richtung Forchheim. Das Capitulare bezweckte demnach nicht nur ein Embargo für den Waffenhandel, sondern kontrollierte (unausgesprochen) zugleich den Salz-Export zu den Slawen.

Insofern ist bemerkenswert, dass im Untersuchungsgebiet selbst nur die Ortsnamen Gerolds-, Ditters-, Bisch-, Vocca-, Kurzewind und Ibind auf die Anwesenheit slawischer Siedler hinweisen, und zwar in Abhängigkeit der jeweils im Ortsnamen genannten Grundherren. Erst entlang der Itz und östlich davon setzt eine allmählich dichter werdende slawische Besiedlung ein. Hier beginnt die terra Sclavorum mit dem Siedlungsgebiet in sclavis um den Königshof Hallstadt. Die Bedeutung von Knetzgau als „Herrschaftsgebiet“ wird noch zu untersuchen sein. Im Gebiet der Nordalb hingegen findet sich eine bereits ältere auch slawisch benannte Siedlungszone.

 

  1. Hattersdorf, Lkr. Staffelstein, seit 1972 Lkr. Coburg (Karte, Nr. 1)

1087/1102 Hartiratisdorf: zum Personennamen Hartrat. Hattersdorf liegt rechts zur Rodach, Ortsteil von Seßlach.

 

2. Harsdorf, Lkr. Kulmbach, 1370/73 Harsdorf (Karte, Nr. 11)

Im Osten des Untersuchungsgebiets. Urkundlich spät überliefert, dennoch zum Personennamen Hartrat zu stellen analog Harsdorf/Magdeburg. An der Ost-West-„Heerstraße“ über die Frankenalb nach Böhmen („Egerer Straße“). Bei der Pfarrkirche St. Laurentius frühmittelalterliche Reihengräber, ebenso im Laitschforst (zu slaw. *lovisce: Herrschaftswald/Reichsforst). Zusammen mit Lanzendorf (karolingerzeitliche ?) Cent mit gemeinsamer Kirche †St. Martin an der „Heerstraße“ zwischen beiden Orten gelegen. Würzburger Urpfarrei Lanzendorf St. Gallus mit Würzburger Altzehnten am Ort und im Sprengel, Würzburger Patronat, Mutterkirche der Cella Waldstein/Fichtelgebirge (befestigte Straßenstation an der „Heerstraße“ nach Böhmen mit karolingerzeitlichen Funden).

 

Hartrat wurde bekannt als Anführer „der Thüringer“ und Verschwörer in Ostfranken 785/86 gegen Karl den Großen. Der Aufstand wurde frühzeitig aufgedeckt, die Verschwörer hart bestraft, ihr Besitz konfisziert. Hartrat wurde geblendet, ob er überlebt hat ist ungewiss. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Da der Name Hartrat urkundlich auch über das 9. Jahrhundert hinweg im Umfeld belegt ist, wird er im Familienverband weitergeführt worden sein.

Einen frühesten Hinweis auf den Namensträger finden wir in der Familie des Seneschalls und Pfalzgrafen Hugobert von Laon/Aisne († 699) in Nordfrankreich und seiner Gemahlin Irmina von Oeren († vor 710): Stifter und Förderer des Klosters Echternach/Luxemburg. Deren Tochter Bertrada († nach721) schenkte mit ihrem/n Sohn/Söhnen Hartrat (und ?) Haribert von Laon († nach 721) an das Kloster Prüm in der Eifel. Haribert (-Hartrats) Tochter Bertrada die Jüngere heiratete Pippin († 768), den künftigen König. Karl der Große war demnach Urenkel dieses älteren Hartrat. Die Familie der Grafen von Laon gehörte zu den einflussreichsten Familien der ausgehenden Merowingerzeit.

Urkundlich finden wir einen Hartrat 748 als Zeugen der Nonne Theotlind in †Lörtzheim im Elsass in einer Schenkung an das Kloster Weissenburg.

Erst 773 bis 782 erscheint der Namen Hartrat in Traditionen des Klosters Lorsch/Rhein: 773 zusammen mit dem Widonen Nantwin in Ilvesheim/Lobdengau, 774 als Stifter von Gütern in Bellersheim/Wetterau, 778 in Handschuhsheim/Heidelberg mit anteiligem Besitz an der dortigen Kirche (ein Zeuge war Haribert), im gleichen Jahr in Thalheim im Alamannengau bei Rottenburg am Neckar, nah dem Alaholfingerort Hailfingen, schließlich 782 in †Kloppenheim, südöstlich von Mannheim. In diesem Zeitraum ist ein Hartrat auch mehrfach Zeuge bei Schenkungen an das Kloster.

Seit 779 ist Hartrat wiederum als Zeuge in Preuschdorf/Elsass für Kloster Weissenburg tätig, im gleichen Jahr im Nachbarort Görsdorf und in der Mark Lembach. 791 schließlich tradiert Hartrat in Preuschdorf seinen gesamten Besitz aus dem elterlichen Erbe. Seine Zeugen sind Wulfico, Waltrih, Albrih und Rantwig, die mehrmals für bzw. mit Hartrat als Eideshelfer tätig waren. Insbesondere Rantwig werden wir noch begegnen. Bei diesem Hartrat wird es sich bereits um einen gleichnamigen Sohn bzw. Verwandten des Aufrührers handeln: Der war seit 786 geblendet und selbst als Überlebender kaum mehr zu Rechtshandlungen fähig. In Elsässer Beurkundungen des Klosters Weissenburg tritt der jüngere Hartrat zwischen 791 und 833 als Zeuge, aber nicht mehr als Grundeigentümer auf. Bemerkenswert ist hier zusammen wiederum mit Wulfico die Zeugenschaft 808 für Erbio und dessen Kinder Udo und Eugenia: Erbio († nach 808) und sein Bruder Adrian († nach 793) waren Söhne des Baiernpräfekten Gerold († 799), dessen Schwester die Königin Hildegard († 783), Karl der Große sein Schwager. Gerolds Eltern, Erbios Großeltern waren der fränkische Magnat Gerold und Imma aus dem Haus der alamannischen Herzöge: Immas Vater Nebi/Nibelung war 724 Mitbegründer der Reichenau. Gerolds und Immas Enkel Adrian wiederum war verheiratet mit Waltrada. Erbios Tochter Eugenia war mit Meginher verheiratet, 814 Grundbesitzer in Ülfersheim. Meginher, Hartrat (Miteigentümer in Ülfersheim), Muother, Sandrat und Pfalzgraf Reginher waren die Söhne des Grafen Meginher († vor 800) und der Burada, Eigentümerin in †Locheim/Rhein und spätere Äbtissin (in Mainz ?): 798 schenkte sie an Kloster Lorsch zum Seelenheil ihres Bruders Rathart († vor 793). Ein Rathart wiederum hatte 771 zum Gedenken an seinen bereits verstorbenen Vater Hartrat im Scarponnais/Verdun eine Schenkung an das Kloster Görze getätigt. Diese Region um Verdun gehörte einst zum Einflussbereich der Widonen und der Elsässer Herzöge. Der gemeinsame Besitz und die überlieferten Verwandtschaftsverhältnisse machen so den familiären Zusammenhang dieser Personengruppen zur Gewissheit. Ein Tauschgeschäft 819 des vir illuster Huc, einst Graf, was durchaus einige Jahre zurückliegen mag, gibt nochmals anschaulich die personelle Struktur dieser im Elsaß agierenden Großen wieder: Nach Etih aus dem früheren Herzogshaus und den Grafen Landbert, Rupert, Gerold und Udo, Brüder der Königin Hildegard, bezeugen den Rechtsakt in den Tauschorten Brunn: Odilo (ein „Agilolfinger“) und Hartrat, in Preuschdorf Franco (der Name wird uns öfter begegnen: So hieß der Vater des Grafen Walah, s. u. Walsdorf), die Widonen Wernher und Wido, Albolf und Odilo, in Walf wiederum Odilo.

Diese Konstellation zeigt sich auch in Urkunden des Klosters Fulda: In Dienheim/Rhein ist ein Hartrat 803 Grundeigentümer und Nachbar von Recheo und der Widonenbrüder Wernher und Arnwis. Ebenda und in Ülfersheim (s. o.) stiftet Hartrat 813 seinen gesamten Besitz an Grund und Boden, Gebäuden und Zubehör aus dem Erbe seines Vaters Sandrat dem Bonifatiuskloster: Wir stoßen demnach auf Verwandte des Rebellen als Zweig der Hartratfamilie, was sich 817 bestätigt, wenn Sandrat und Hartrat zusammen mit dem Widonen Nanther für die Schenkung des Muothar im Aschfeld testieren.

Hartrat und Sandrat sind als Fuldaer Tradenten auch in Thüringen vertreten: In Haßleben/Sömmerda schenkt Hartrat zwischen 780/802 Besitz. Zur gleichen Zeit stiftet Sandrat in Lengefeld, Katz/Rhön, in Lauringen/Hofheim und Sulzdorf/Hildburghausen, also unmittelbar in unserer Region. In der Folgezeit tritt Hartrat nicht mehr als Grundherr in Erscheinung, sondern als Zeuge verschiedener Schenkungen in Ostfranken: So 815 in Mainz in der öffentlichen Versammlung bei der umfangreichen Schenkung des Ehepaares Randolf und Theotrada an das Kloster in Hersfeld von Besitz in Mainz, Dienheim, †Locheim und weiteren Orten am Mittelrhein. Seine Mitzeugen waren u. a. der „Alaholfinger“ Nebulunc, Albold, Walah, Muothar und Erbio. 818 testiert Hartrat mit Franco und Ratolf, 836 für Recheo. 868 ist der Priester Hartrat Zeuge für das Kloster Fulda. Er wird dort wohl 876 verstorben sein.

Wir haben es also mit verschiedenen Personen mehrerer Generationen namens Hartrat zu tun, die jedoch über die Zeit (seit ca. 720) und über die Regionen hinaus vom Elsass über den Mittelrhein bis nach Ostfranken ein gemeinsames Besitz-und Personenumfeld erkennen lassen. Den Rebellen Hartrat wird man einordnen können als Sohn des vor 771 verstorbenen Hartrat oder als Bruder von Rathart. Die Familie gehörte nach Umfang und Verteilung ihrer Güter zur sog. „Reichsaristokratie“. Nicht weniger lässt das Namensumfeld von Sandrat/Hartrat erkennen, dass es sich um einen ausgedehnten Familienverband hochrangiger Herkunft handelt mit weitreichenden Familienverbindungen bis in die Familie der Karolinger und in die großen Adelsverbände etwa der Widonen und der alamannischen Bertholde/Alaholfinger.

Der Name Hartrat ist in mehreren Ortsnamen als villa sui nominis enthalten: Hartershausen in Hessen: 871†Hartrateshus; Hartershofen/ Rothenburg; Hartenrode in Sachsen-Anhalt (oder Hackenrode/Morungen?): †Harderadesrod; Harsdorf/Magdeburg: 937 Hartaratesdorf.

 

  1. Rentweinsdorf, Lkr. Haßberge:1231/32 (Kopie 15. Jahrhundert) Rentwigesdorff zum Personennamen Rantwig (Karte, Nr. 4)

Rentweinsdorf liegt an der Baunach mit der Pfarrkirche St. Martin. Frühmittelalterliche Nachweise sind nicht bekannt.

 

Wir fügen Rentweinsdorf in dieser Reihenfolge ein, da Rantwig bereits aus dem vorangegangenen Kapitel bekannt ist. Wie Hartrat und Sandrat gehört Rantwig zum Fuldaer Tradentenkreis in Haßleben um 782/817. In den Güterverzeichnissen des Klosters Fulda sind insgesamt zehn Einträge mit dem Namen Rantwig gelistet, davon fünf undatiert, u. a. in Müdesheim/Karlstadt am Main, 823 als Zeuge in Geldersheim/Grabfeld, 825 im thüringischen Bibra (mit Nandhar und Ruadhart). Ein Rantwig wird zudem als Grundherr in der Nüdlinger Gemarkung im Grabfeld genannt. Ein weiterer Namensträger erscheint im Forst Bramfirst an der Grenze des Fuldaer Vogteibezirks an der Jossa. In den Fuldaer Totenannalen finden wir den Namen zu 834, 841 und 848.

Rantwig heißt der Gemahl einer Fuldaer Tradentin Aba/Albana in Gaildorf auf der Schwäbischen Alb, östlich von Murrhardt. Aus dem Erbe seiner Mutter Aba wiederum stiftete 798 der Priester Rantwig an das Weissenburger Kloster in Preuschdorf im Elsass. Eine Gott geweihte Aba lernen wir 803 mit ihrem Bruder Hadubert und dem Neffen Albrih bei ihrer Schenkung an das Bonifatiuskloster in Boppard kennen. Zeuge waren damals u. a. Radolf und sein gleichnamiger Sohn oder Enkel. Wohl dieses Rantwig Gemahlin Blidgard tritt 779/83 in Heitersheim/Rhein als Stifterin an Kloster Lorsch für das Seelenheil ihres Sohnes Radulf auf. In Preuschdorf/Elsaß hatte 766 Blidgard zum Seelenheil ihres Vaters Radulf Besitz übertragen. Die Familienverhältnisse sind also deutlich: Rantwigs Sohn Radulf hieß wie der Großvater mütterlicherseits. Rantwig selbst tradierte 790in Preuschdorf, hier war also das Familienzentrum: Hier ist 791 Rantwig zusammen mit Wulfico, Waltrih und Albrih Zeuge für Hartrats Schenkung aus dem elterlichen Erbe. Es liegen gewiss auch zwischen diesen Personen verwandtschaftliche Beziehungen vor.

Solche lassen sich darstellen: Erinnert sei an des älteren Hartrat Zeugnis für die Gott geweihte Theotlind 746 in †Lörtzheim. Wir kennen Rantwig mit Gemahlin Blidgard und Sohn Radulf 766. 774 schenkte Ado zum Gedenken an Radulf aus dem Besitz seiner Mutter Theotlind in Preuschdorf. Radulf wiederum hieß Theotlinds Vater, Ados und Saccos Großvater 774/76, 780, 783. Zeugen ihrer Schenkungen an das Weißenburger Kloster in Rottelsheim-Radulfovillar/Bas-Rhin bei Brumath, Dauendorf/Haguenau, Lembach/ Wissembourg, Kutzenhausen/Soultz-sous-Forets und Walohom/Wahlenheim bei Haguenau sind in diesen Jahren Rantwig, Reccheo, die Gerbald-Sigibald-Rihbald-Wigbald-Familie und schließlich Erbio und Waltrih. In diesem Kreis erscheint außerdem 765 Troant, Sohn eines Buo (Bubo) als Zeuge für Gerbald-Rihbald in Preuschdorf, für Sigibald 766/90 und 783 für Milo. Zeugenhilfe leistet zudem Muothar 766/90 mit Rantwig und 774 für Rihbald: Es handelt sich wohl um den Bruder von Hartrats Schwiegersohn Meginher, gleichnamig mit Hartrats Enkel. Mit Milo ist Rantwig wiederum Zeuge von Wigbalds und Sigibalds Schenkung in †Frankenheim 781, an der auch Meginher Anteile hatte: So hieß Hartrats Schwiegersohn und auch ein Enkel, Grundherr in Ülfersheim.

Rantwigs Herkunft aber wird vollends deutlich mit seiner Schenkung an Kloster Weissenburg 742, als er in insgesamt 29 Orten aus dem Erbe seiner Eltern Chrodwig und Oda, seiner Schwester Basilla und aus dem Erbe seines Großvaters Chrodoin stiftete unter dem Vorbehalt der Nutznießung auf Lebenszeit, sollte ihm kein Erbe geboren werden bzw. eines Rückkaufsrechtes für diesen Fall. Aus weiteren Urkunden wird sein Urgroßvater Petrus bekannt, Grundherr in Preuschdorf und Görsdorf. Chrodoin hieß zudem 682/83 der Abt des Klosters. Chrodoin, Rantwigs Großvater hatte ausgedehnten Grundbesitz im Rodungsgebiet um Waldhambach, östlich von Saarunion, mit dem Kirchort Berg, den er 718 dem Kloster zuwendete. Er teilte diesen Besitz offenbar mit einer Erbengemeinschaft, an der auch der domesticus Audoin († vor 700), dessen Sohn Weroald, 737 Mönch in Weissenburg und dessen Enkel Erloin Anteile besaßen. Wir erkennen in dieser Personengruppe erneut die Stifterfamilie des Klosters Hornbach im Bliesgau, 742 vom Widonen Warinhar gegründet. Seine Söhne hießen Nant-har, Erloin (734) und Rothar. Erl-oin hieß aber auch der Enkel des domesticus Aud-oin: Der war mit der „Agilolfingerin“ Theudala/Theotlind verheiratet. Abt Chrodoin von Weissenburg und Graf Audoin waren Brüder oder Vettern. Der Familienverband der Widonen war uns bereits begegnet: Erloin und Wernher traten auch am Obermain als Grundbesitzer auf. Ein Werinher († 814) wurde als Ostmarkgraf an der Awarengrenze bekannt.

737 hat nun der Elsässer dux Liutfrid vom frater Rantwig Güter gekauft von dem, was dir dein Vater Chrodwig überlassen hat, und an das Weissenburger Kloster geschenkt. Die bereits bekannten Radbald und Wic-bald waren Zeugen. Rant-wig ist damit nicht nur unter die herzoglichen Gefolgsleute zu zählen, sondern selbst „Verwandter“, wohl über seine Mutter Oda: In der Herzogsfamilie wurde die Hl. Odilia verehrt, Liutfrids Tante und Tochter Herzog Etichos. Auch Rantwigs Schwester Basilla trug einen romanischen Namen wie Liutfrids Schwestern Albana, Savina und Eugenia. Ein (jüngerer) Priester Rantwig hatte 798 aus dem Erbe seiner Mutter Aba/Albana (ebenso ein romanischer Name) in Preuschdorf an das Kloster gestiftet. So ist unter Herzog Liutfrids Gefolgsleuten auch ein Walaho, „Romane“ genannt, dem herzogliche Lehensgüter in St. Dizier übertragen wurden.

Nun macht die Nähe der Rantwig-Familie und auch der frühen Hartrat-Sippe zum Herzogshaus der Etichonen aufmerksam auf die Veränderungen in der Region, die sich mit dem Aufstieg der Pippiniden-Hausmeier vollzogen: Nach dem Ende der Merowingerherrschaft 737 waren die großen Familien der Region gezwungen, sich den neuen Machtverhältnissen unterzuordnen oder neu zu orientieren. Dies traf insbesondere nach dem Erlöschen des Dukats und dem „lautlosen“ Abgang der Etichonen als Herzöge des Elsaß ein: Ab 742 übernahm im Elsass Karl Martells († 741) Sohn Karlmann das Regiment. Nach ihm wurde nunmehr urkundlich datiert. Preuschdorf, ursprünglich etichonisches Herzogsgut, wurde karolingische Domäne. Rantwigs Schenkung 742 an das Weißenburger Kloster war wohl Teil einer „Schenkungswelle“ der herzoglichen Gefolgsleute im Zeichen der Veränderungen: Man brachte Hab und Gut im Kloster in Sicherheit. Die Identität dieser Personen und ihr Auftreten im Elsaß, am Neckar, am Mittelrhein und in der Obermainregion machen dies deutlich. So wie der Elsässer Helpoald, der 730 seinen Besitz in †Cazfeld an das Weissenburger Kloster schenkte, während ein Helpfolf wiederum 796 in Ostfranken in Fuldaer Urkunden erscheint.

 

  1. Frickendorf, Lkr. Hassberge, 1231 Vrichendorf: zum Personennamen Fricco

(Karte, Nr. 3)

An einer Furt über die Baunach, an alter Nord-Süd/West-Ost-Straßenkreuzung. Im südöstlichen Nachbarort Hochstätten frühmittelalterliche Reihengräber.

 

  1. Reckendorf, Lkr. Ebern, seit 1972 Lkr. Bamberg, 855 Rechendorf: zum Personennamen Recco (Karte, Nr. 5)

An alter Reichs-Straße: am Ort jüdischer Friedhof mit Synagoge, Gasthof „Schwarzer Adler“ (Relais-Station).

 

Die Abwanderung von führenden Personen aus dem Elsaß wird auch am Beispiel von Fricco deutlich. In eben der letzten von Herzog Liutfrid ausgestellten Urkunde von 742 testiert Fricco für ihn, dessen (zweite) Gemahlin (oder Tochter ?) Theutila/Theothild und den Sohn Hildifrid aus (erster/der) Ehe mit Hiltrud: Als Fricco 767 in Mutterstadt/Rhein an Kloster Lorsch zusammen mit seiner Frau Hiltrud Besitz übereignet, wird der familiäre Zusammenhang deutlich: Fricco heiratete demnach eine gleichnamige Tochter des Herzogspaares. Er gehörte wie Rantwig damit zur herzoglichen Familie. 772 tradierte Werilant wohl als neuer Eigentümer oder Erbe aus dem Besitz von Fricco und Adalhelm an das Weissenburger Kloster in Preuschdorf, der ehemals herzoglichen Domäne, wo wir auch Hartrat und Rantwig als Grundbesitzer fanden. Jedenfalls waren Friccho und Reccho Brüder, denn 767 und 774 stiftete Fricco zum Seelenheil seines Bruders Racchio in Mutterstadt.

Dieser Racchio wiederum ist als Grundbesitzer 789/90 im elsässischen Eckendorf nachgewiesen und besaß 792 in Dauendorf Anteile an der Kirche. Wir treffen im Elsass weiterhin auf Träger seines Namens. Die späteren Namensträger in Ostfranken werden Verwandte sein, die der Familie Friccos oder auch Racchios in der nächsten Generation angehören. Aufschlussreich ist die Verwandtschaft zum bereits bekannten Ado (s. o.), Grundherr in †Danonevillar (bei Brumath?) 774/75 und in Dauendorf 787, der ihn als seinen „Neffen“ bezeichnete, was zwar vieldeutig sein kann, aber jedenfalls die Verwandtschaft bestätigte: 774 waren Ado und Sacco als Söhne von Radulf und Theodrada, der Tochter Theodos aufgetreten, Grundbesitzer im elsässischen Radulfesvillar/Rottelsheim, Wahlenheim u. a. Orten im Umfeld von Rantwig, Racchio, Adalhelm und weiteren Zeugen. Interessante Zusammenhänge offenbart Racchios Zeugenschaft für die Gott geweihte Luitburg 801 in Erfelden/Oberrheingau. Neben Recchio trägt hier ein Zeuge den urkundlich sehr seltenen Namen Coloboz: Eine villa sui nominis ist Colobocishaim/ Kolbsheim/Bas-Rhin, westlich von Straßburg (737/Kopie 15. Jahrhundert in einer Schenkung an Kloster Murbach genannt), was der Ortsnamenüberlieferung von †Kulsam-Odrava/CR an der Oberen Eger am östlichen Ende der alten „Heerstraße“ nach Böhmen entspricht (s. u. Nr. 16: Bibeningen; Karte, Nr. 12).

Die Wendung Friccos nach Ostfranken verdeutlicht seine Schenkung 782 (-817) in Preungesheim/Frankfurt a. M. nunmehr an das Bonifatiuskloster in Fulda. Hier war bereits 773 der „Bodelstädter“ Huswart Wohltäter für das Lorscher Kloster.

Dabei fällt auf, dass Fricco bzw. weitere Namensträger eine Reihe von Schenkungen für hochrangige Personen und Tradenten an das Fuldaer Kloster unterstützten, z. B. 786 für Bischof Willibald von Eichstätt († 787, s. u.), 800 zusammen mit Huswart, Megingoz und Reccheo für die Äbtissin Emhild von Milz. Nach einer Zäsur (dem Fuldaer Necrolog nach ist der ältere Fricco 813 verstorben) tritt seit 813 wiederum wohl ein jüngerer Namensträger auf für Liwicho (s. u. Walahs Sohn) im rheinischen Dienheim im Wormsgau zusammen mit Brunicho, Machelms Sohn, Gunzo (so hieß wohl auch Machelms Vater) und den Widonen Arnwis und Erlwin als Zeugen. In Dienheim findet sich 817 ein Fricco im Kreis seiner ortsansässigen Nachbarn bei Festlegungen über Schifffahrt und die Abgaben von Zoll und Waage. Mit Gunzo zusammen leistete er Zeugenschaft 812, 813. 814 testierte er mit Gunzo und Unroh im Saalegau. In diesem Zeitraum wird Itmuot als eines älteren Fricco Gemahlin genannt bei seiner einzigen Fuldaer Schenkung 789 in Sondheim, Nordheim, in Fladungen/Rhön und in der Buchonia an der Haun bei Fulda, wo er dreizehn Hörige wahrscheinlich aus dem Erbgut seiner Frau stiftete. Sonst erinnern im Ostland nur Orte seines Namens wie Fricken-dorf /-hausen. Er war eben ein „Zugewanderter“.

814 traten Vater und Sohn Fricco in Münnerstadt gemeinsam als Zeugen auf, 815 wurde ein weiterer Sohn Fridu-bert genannt. 814 erhalten wir einen wichtigen Hinweis auf die Familie, als Reginolf aus dem Erbe seiner Eltern Fricco und Waltrada in Birkenfeld, westlich von Maroldsweisach, an den hl. Bonifatius stiftete. Seine Zeugen sind Bruning/-icho wie Graf Machelms Sohn, Swidger und Egino: So heißt auch der Bruder eines (älteren) „baierischen“ Reginolf (765/67) in Freisinger Urkunden, Stifter für Kloster Ilmmünster/Pfaffenhofen (765) aus der genealogia der Hahilinga, Wohltäter der Freisinger Kirche und Grundbesitzer in Hohenbercha/Freising. Eijo, 1. Abt des Klosters, hatte 765 aus Rom die Reliquien für Ilmmünster und Tegernsee beschafft: Diesen seltenen Namen trägt auch ein Rannunger Grundherr 796 (s. u. Bodelstadt). In Hohenbercha stiftete um 810 ein Frecholf (!) die Hälfte seines Besitzes. Ebenda waren auch Rihperht und Hunperht begütert, die Brüder des Helmuni/Helm-oin/-win (eine Namensbildung wie bei Widonen/Mattonen) und Söhne des Adalung von Roning/Rottenburg an der Laaber. Die Familie war an der Eichstätter Bistumsgründung (nach 740) zusammen mit Bischof Willibald beteiligt. Ein Swidger (s. o.) stellte dazu den Grundbesitz im Sualafeld zur Verfügung, - hier war Helmuni als Gaugraf eingesetzt. Dort werden wir auch auf die Troant-Familie stoßen. Die „Roninger“ stellten in der Folgezeit eine Reihe Eichstätter Bischöfe. In Fuldaer Schenkungen im Grabfeld wiederum gehörten zwischen 777/823 zum Umfeld von Friccos Sohn Reginolt ebenfalls Egino und Swidger: als Tradent in Hammelburg, als Zeuge mit Thurincbert, Nantwig, Othelm, Radulf, Fricco, Sturmi u. a. Es handelt sich bei diesen baierisch-ostfränkischen Kontakten Friccos und Reginolfs zweifellos um Verwandtschftsbeziehungen.

Der Umfang von Reginolfs ostfränkischem Familienbesitz (wohl auch Erbe von der Mutter) wird deutlich in der Schenkung an das Fuldaer Kloster 819 im Grabfeld, Folcfeld, Gozfeld und im Werngau an der Sinn, darunter in Sulzfeld und in Stockheim, wo 20 Jahre vorher der Bodelstädter Helpfolf Besitz tradiert hatte. Zeugenhilfe leisteten diesmal für ihn nach dem Gaugrafen Poppo Adal-frid, Fridu-helm, Wotan, Sturmi, Fridu-rih u. a. Urkundenschreiber war der Mönch Reccheo, sicher ein Verwandter seines Vaters.

Fricco gehört nach unserer Beobachtung zu den Großgrundbesitzern im Elsass und am Mittelrhein, mit Verbindungen ins agilolfingische Baiern, verwandt mit den großen Familien der spätmerowingisch-karolingischen Reichsaristokratie. Der Name Fricco/Fridu- verbindet sich mit dem des Etichonenherzog Liut-frid, des Alamannenherzog Got-/Goz-frid und wiederum mit Adal-helm zu frühen Namensformen der „Mattonen“ wie Gauz-/Frid-/Helm- (s. u.). Sie finden wir auch im Umfeld der baierischen Verwandtschaft der Hahilinga. Nicht zu übersehen ist die Verbindung der Elsässer Fricco/Recco-Familie zum Familienverband Radulfs (im Zusammenhang mit der Familie Rantwigs)..

Für Friccos Bruder Recchio haben wir Belege bis 792 im Elsaß. Seit 800 ist ein Recchio auch in Fuldaer Urkunden belegt: hier in der Schenkungsurkunde der Äbtissin Emhild von Milz als Zeuge zusammen mit Fricco, Hartrat, den Bodelstädter Grundbesitzern Megingoz, Erpfold und Huswart. 803 ist ein Recchio als cancellarius Urkundenschreiber des Klosters in Dienheim: Das wird wohl der 810 im Kloster Fulda verstorbene Mönch sein. Ebenfalls 803 war (nunmehr wohl ein jüngerer) Recchio Nachbar von Siggos Weinbergen in Dienheim, zusammen mit dem Widonen Arnwis und mit Hartrat. 838 wiederum testierten die Priester Reccheo und Hartrat sowie Reginolf (Friccos Sohn ?) für Raban. 839 starb dieser Recchio im Kloster. Es waren wohl weitere Nachkommen Recchios, Theotmar und Recchio, die 836 in †Meginherihus an der Ulster bei Wendershausen, nordwestlich von Fladungen in der Rhön, an Fulda schenkten. Zeugen waren Waltrih, Hartrat und Meginher (der Ort eine villa sui nominis, dem Namenstyp nach „mattonisch“). 855 schenkte ein Recco zum Seelenheil seiner Mutter Baba in Euerdorf an der Saale. 869 wurde ein Recchio mit seinem Bruder Adal-frid (!) bekannt.

Für die Familien Friccos und Recchios sind verwandtschaftliche Beziehungen auch in den nächsten Generationen bis über die Mitte des 9. Jahrhunderts hinaus belegt, zugleich der Kontakt mit den Nachkommen Hartrats. Für die weitere Betrachtung ist jedoch auch die räumliche und personelle Beziehung zu Mattonen, den Bodelstädter Tradenten und zu Albolf zu sehen.

 

  1. Bodelstadt, Lkr. Staffelstein, seit 1972 Lkr. Coburg: 788 Botolfestat zum Personennamen Bodolf, Botolf und

†Eglofsdorf: 9. Jahrhundert Egilolfesdorf, zum Personennamen E/Agilolf (Karte, Nr. 2)

Beide Orte werden gemeinsam betrachtet, da offenbar auch sie eine gemeinsame besitzgeschichtliche Struktur aufweisen. †Eglofsdorf ist wohl im unmittelbaren Umfeld von Bodelstadt zu suchen, Bestandteil des sog. „Banzer Reichsurbars“, wie auch †Bennendorf/ Kaltenbrunn als Standort zweier Zeidelhuben/Imkerhöfe genannt ist. Die Orte liegen an einer Nord-Süd-Geleitstraße von der Regnitz nach Erfurt an einer Furt über die Itz. Frühmittelalterliche Befunde sind nicht verzeichnet.

 

Die Besonderheit liegt darin, dass Bodelstadt, im Unterschied zum jüngeren Ortsnamen Egilolfes-dorf, zu einem wohl älteren Ortsnamentyp -stat gehört. Dabei gestaltet sich die Recherche zum Bestimmungswort zunächst schwierig: Der Ortsname gehört spätestens in die ausgehende Merowingerzeit, d. h. in das 1. Drittel des 8. Jahrhunderts.

Der Name ist im bereits bekannten Umfeld der Etichonen im Elsaß überliefert: Herzog Etichos/Adalrichs († 690) Söhne waren Adalbert († vor 722) und Liutfrid († nach 742), dazu gezählt wird Huc/go († vor 747). Ob er als weiterer Sohn Etichos gelten kann, ist urkundlich nicht belegt. Als Hugos Söhne sind bekannt Bleon († vor 748) und Bodol: 748 stiftete der in Heidolsheim/Schlettstadt an das Kloster Münster im Gregoriental Besitz, 748 und 749 sein Erbteil auf der Insel Honau an das Etichonenkloster, auch hier wohl Schenkungen, die aus den Zwängen der Zeit geboren waren. Bodols Tochter Adala tradierte 754ihren vom Vater Bodol ererbten Besitz an das Widonenkloster Hornbach. Eine weitere Tochter Bodols trug den Namen Ruchuina, was auf eine Mutter aus der Unruochinger-Familie hinweisen dürfte. Etwa zwei Generationen nach dem Tod der beiden Brüder wurde 823 Blienschweiler/Elsaß bei Schlettstadt als Bodolesvillare sive Pleonungesvillare bezeichnet, d. h. der Ort wurde von beiden Brüdern gegründet.

Trotz dieser elsässischen Besitzungen gehen jedoch die Beziehungen des Familienverbandes hauptsächlich in die Alamannia: Als „Hatten“ oder „Pleonungen“ bezeichnet man die herrschende Sippe im Neckargau und an der oberen Donau (Plieningen/Esslingen, vgl. Pliening/Lkr. Ebersberg, Oberbayern) um 650 bis zur Auslöschung der alt-alamannischen Führungsschicht im Cannstatter „Blutbad“ 746 durch Karlmann. Erstaunlich daher das Auftreten von Nachfahren etwa in Fuldaer Urkunden: 812 sind in einer umfangreichen Schenkung Engilrihs im Baringau und im Tullifeld als Zeugen Fridu-rih (s. o. Fricco), Liwicho (s. unten), Thuring (!), Bodololt, Hartrat u. a. genannt. Bei den zehn Schenkungsorten dürfte es sich ausnahmslos um Fiskalgut handeln. 822 sind Hatto (!), Bleonung (!) und Rudolf/Radulf Zeugen für Alt(-Adal)frids Schenkung in Rannungen und Massbach im Grabfeld in Anwesenheit seines Sohnes, des Priesters Alt- (Adal-)Thuring: Diese Konstellationen legen ein Zusammentreffen von Personennamen der Hatten/Pleonungen-Nachfahren nach 746 mit Nachkommen der thüringischen Herzöge Radulf bzw. Heden nahe, dessen Sohn Thuring hieß. Es ist auffällig, dass in Ostfranken die Erinnerung an diese thüringischen Herzöge in der Namensgebung erkennbar weitergelebt hat, nicht zuletzt auch im Familienverband Hartrats und seiner Agnaten.

Nun hat man in früheren Untersuchungen in den folgenden Orten gemeinsame Besitzergruppen festgestellt und daher aufgrund der 1/3 Erbanteile auf einen gemeinsamen Erblasser dieser Familienverbände geschlossen:

in Rannungen/Bad Kissingen:

779 Alwalah, 800 Walahfrid

788 Matto/Madal/goz/gaud comes – Megin/goz/gaud/ – Juliana je 1/3 aus dem Erbe ihres Vaters †Macco/Magingauz („Mattonen“)

796 Heiiat ( zu Ejat, Ejo: So hieß 765/777 der Neffe der Tegernseer Klostergründer

Adalbert und Otacar und 1. Abt des Klosters Ilmmünster)

815 Asolf

822 Altfrid und (Sohn) Altthuring

In Wenkheim/Münnerstadt finden wir

788 Matto comes – Megingoz – Juliana je 1/3 Erbe von Vater † Macco

796 Helpfolf mit Bruder Huswart, (Schwester) Witswind, je 1/3 Erbe vom Vater

Egilolf und Großvater †Huntolf

804 Adalher

837 Sigibald und Mutter Theodrada, für †Asis

838 Theodrada – Ewih – Widterb

842 Erlwin für †Theodrada

In Schwanfeld/Gozfeld

779 Alwalah im Beisein Karls des Großen

788 Matto – Megingoz

796 Egilolf und Sohn Helpfolf

In Geisenheim/Rinachgau bei Lorsch (als Tradenten an Kloster Fulda !)

779 Alwalah

782/817 Matto comes – Megingoz

796 Helpfolf – Huswart – Witswind vom Vater Egilolf, Großvater † Huntolf je 1/3

874 Cunhild Erbe von Mutter †Waltrada

In Bodelstadt

788 Matto comes - Bruder Megingoz

796 Egilolf

802/17 Erphol comes

874 Cunihild Erbe von Mutter †Waltrada.

In Rannungen, Schwanfeld, Geisenheim haben Alwalah, die Mattonen und die Egilolf-Sippe Besitz,

in Wenkheim Mattonen, Egilolf-Sippe, Theodrada-Asis-Sippe,

in Bodelstadt Mattonen, Egilolf-Sippe und Erphold, Cunihild aus Mutter Waltradas Erbe.

in Rannungen Asolf, Altfrid und Altthuring.

Bei der Betrachtung im Detail ist festzustellen: Es sind nicht drei, sondern fünf Orte mit gemeinsamem Grundbesitz verschiedener Tradentenfamilien. Die 1/3-Anteile beziehen sich dabei auf die jeweils drei Erbberechtigten in der Familie der Mattonen bzw. der Egilolf-Sippe.

Wir werden im Folgenden sehen: Zur Huntolf-Egilolf-Sippe gehört ebenso der „Rannunger“ Asolf. Altfrid und Altthuring haben wir oben 822 zusammen mit Hatto, Bleonung und Rudolf in Zusammenhang mit den alamannischen Pleonungen, mit Bodol und den Altthüringer Herzögen Radulf und Heden gestellt: Herzog Hedens Gemahlin hieß Theodrada, ihr Sohn Thuring. Der Name der Tochter Imma/Irmin- findet sich ebenso bei den Alaholfingern. An der Besitzstruktur dieser Orte werden demnach Gemeinsamkeiten deutlich, die nicht nur auf Erbfolge, sondern vielfältigen, z. T. weit zurückliegenden Beziehungen untereinander beruhen. Dies ist zu untersuchen, auch in Bezug auf Alwalah.

† Huntolf – Egilolf – Helpfolf – Huswart – Witswind: Nun sind Huntolf, seine Brüder Agilolf (verheiratet mit Theotberga) und Asolf (mit der Gemahlin Hildilind) gut bekannt als Söhne Alaholfs und der Hitta/Hildiberga: Zusammen mit Bertold machte der Familienverband 776 eine umfangreiche Schenkung an das Familienkloster Marchtal/Ehingen in Württemberg, wobei Alaholf und Hitta ausdrücklich als Familienhäupter benannt wurden. Man bezeichnet den Familienverband daher als „Alaholfinger“ bzw. „Bertolde“: ein Zweig der Agilolfinger und des alamannischen Herzogshauses des dux Gotfried († 709). Es gibt jedoch auch frühe Beziehungen ins Elsaß: 693 trat ein Asolf dort als Zeuge auf, 696 verkaufte er seinen gesamten Besitz in Görsdorf an das Weißenburger Kloster.

Alaholfs Gemahlin Hildiberga war wohl eine Tochter der Hildiburg, Schwester des Alamannenherzogs Nebi/Nibelung (um 720): Der war der Vater der Imma und Großvater der Königin Hildegard († 783). 798 ist ein Nebi zusammen mit Huswart Zeuge im grabfeldischen Merkershausen.

796 stiftete Helpfolf aus dem Erbe seines Vaters Egilolf und seines Bruders Huswart und dem des Großvaters Huntolf in Stockheim im Grabfeld und in Wenkheim 15 Hörige mit dem gleichen Anteil von (Schwester) Witswind wie von Helpfolf. Gleichzeitig schenkte Egilolf zu seinem und seines Sohnes Helpfolf Gedenken aus dem Erbe seines Vaters Huntolf je 1/3 Anteil im Tullifeld, im Grabfeld in Sulzfeld, Schwallungen, in Bodelstadt, in Ober-/Unterhaid in der Slawenregion und in Trunstadt, im Ehegau und im Rinachgau in Geisenheim. Seine Zeugen in Wenkheim waren der Mattone Othelm und Raban, der Sohn Walurams. Eine weitere Schenkung Egilolfs betraf die Hälfte (!) seines Erbes in villa Baringen/Grabfeld. Es besteht kein Zweifel, dass der Bodelstädter Egilolf, Sohn Huntolfs, zusammen mit Asolf eben jenem Familienverband der Alaholfinger angehörte. Mit dem Großvater Huntolf, dem Vater Egilolf, den Kindern Huswart, Witswind und Helpfolf ist die Familie in den Fuldaer Urkunden gut belegt. Asolf war 798 zusammen mit Bertold (!) und Trutmunt in Dienheim für die Familie der vornehmen Adalgard „von Worms“, also auch am Mittelrhein tätig. Mit Helpfolf ist an den Elsässer Helpfoald zu denken, der 730 seinen dortigen Besitz dem Kloster Weissenburg verkaufte. Schließlich ist ein Huswart 788/804 auch in Passauer Urkunden vertreten, mit Reginolt und Erbio als Zeugen Madalgars.

Einen weiteren Hinweis erhalten wir 807, als Karl der Große einen Tausch zwischen dem Würzburger Bischof und dem Grafen Audulf bestätigte: Dabei wurde die villa Odinga/ Üttinghof/Bad Mergentheim und der gesamte Besitz des verstorbenen Huntolf und seines geistlichen Sohnes Agilolf an den Bischof übertragen: Agilolf war also (gezwungenermaßen ?) Mönch, der Besitz (konfisziertes) Fiskalgut geworden. Audulf († 818) war seit 799 Nachfolger Gerolds als Präfekt in Baiern, 805 wird er im Diedenhofener Capitulare (s. o.) zur Durchsetzung des (Salz- und ?) Waffenembargos an der Slawengrenze in Forchheim, Premberg und Regensburg eingesetzt. In Hallstadt und entlang der altthüringischen Grenze die Saale und Elbe entlang, in Erfurt und Magdeburg war der Mattone Madalgaud stationiert, der Widone Wernher wiederum donauabwärts in Lorch.

Graf †Asis – Sighibald – Theodrada – Ewih – Witderpf: In dieses Umfeld gehört auch eine Gruppe um den Grafen Asis († vor 837), vielleicht Graf im Hassgau, jedenfalls in der Region und im südlichen Thüringen begütert, so in Seßlach, Gemünda, Walbur, Heldburg und weiteren Orten wie auch in Wenkheim. Seine Angehörigen schenkten hier 836 dem Kloster Fulda zu seinem Andenken: (der Sohn ?) Sigibald, Theodrada, Asis Frau, sowie Ewih und Witderpf. Zum Kreis gehörte zudem Erlwin/Erloin, der 842 eine Gedenkstiftung für die nunmehr verstorbene Theodrada u. a. in Wenkheim ausrichtet. Den familiären Zusammenhang mit den Bodelstädter Grundherren stellte 837 der Zeuge Nidgoz her: ein Mattone, der 824 auch für den (verwandten) „Alaholfinger“ Huswart in Dörfleins am Main „in der Slawenregion“ stiftete. Ein weiterer Zeuge war damals Albolt.

Der genannte Witderpf wiederum zeigt weitere Beziehungen auf: Mit Walah, den Mattonen Fridu-helm, Gota-helm, Helm-deo testierte er 836 die Stiftung der Wielrada in Ostheim/Grabfeld. Zusammen mit (ihrem Bruder ?) Widarolt schenkte sie im gleichen Jahr in Rohr: Da waren ihre Zeugen Reccheo und Hartrat, nunmehr beide Priester geworden. In Rohr wiederum hatte Graf Erphold ein Eigenkloster gegründet. Widarolt war zudem in Jüchsen begütert. Seine Fuldaer Schenkungen dort bezeugte 838 Wolf-helm, Albolt und die „Etichonen“ Adalrich und Ettig. Theodradas Zeugen 836 waren die Mattonen Meginfrid und Meginolf, Erlwin und der Jüchsener Widarolt.

Witderpf/Wicterp aber heißt wie jener Abtbischof (von St. Martin/Tours ?), † 756, der nach den Quellen ein Baier genere Heilolvingus gewesen sei: d. h. „ein Alaholfinger“. Diesen Namen trug auch der Augsburger Bischof († 772), der im Allgäu und in der Alamannia missionierte. Ein weiterer Namensträger wurde als Abt Nachfolger der „Brüder“, Ellwanger Klostergründer (764) und Äbte Hariolf und Erlolf (um 730/815), zudem Chorbischöfe im burgundischen Langres, wo der Schäftlarner Klostergründer Waltrih (s. o. und Karte unten) ihr Nachfolger wurde.

Nun gehörte zum Familienverband der Alaholfinger auch Imma, Tochter Herzog Nebis, verheiratet mit dem „Franken“ Gerold: die Eltern der Königin Hildegard († 783). Immas Bruder Rupert war Graf im Hegau und verheiratet mit Theodrada, ihr Sohn hieß Erbio (auch Erpo, Erpho u. ä.). Auch Hildegards Neffe hieß so, Sohn ihres Bruders Gerold (nach 788 Präfekt in Baiern). Dieses Erbio Tochter Eugenia war verheiratet mit Meginher, Enkel des Rebellen Hartrat und Bruder Reginhers († 817), Pfalzgraf König Bernhards in Italien und Aufrührer 816 gegen Ludwig den Frommen. Gerolds Bruder Adrian wiederum war verheiratet mit Waltrada: Wir kennen sie als Witwe und Fuldaer Tradentin 821, 824 in Boppard und Bingen am Rhein. Waltrada hieß auch Fricchos Frau, Reginolfs Mutter in Birkenfeld 814.

Graf Erpfold – Waltrada – Cunihild: Zu den Bodelstädter Tradenten gehört auch dieser Familienverband, wie in der Schenkung des Grafen Erphold 802/17 deutlich wird. Bei kritischer Durchsicht der in den Fuldaer Urkunden aufgeführten Personennamen Erphold o. ä. bleibt letztlich der Eintrag bei Dronke bestehen (falsch zu 859 datiert): Er beinhaltet die Schenkung des Grafen in 33 Orten, darunter in der villa sui nominis Erpfolesstetin, in Asisfelde (s. oben), in Walbur (Asis-Familie), Sulzdorf, Merkershausen,†Othelmeshusen (des „Mattonen“ Othelm), in Birkenfeld (dort waren Reginolds Eltern Fricco und Waltrada Grundherren), in Jüchsen, Schwabhausen und weiteren Orten im Grabfeld und in Thüringen. Unter seinen 29 (!) Zeugen sind Otacar (wie der Großvater seiner Gemahlin), Tagolf (wohl der Sorbenmarkgraf (s. o. 850) und Widarolt, 838 Grundherr in Jüchsen, mit Albolf, und Theotbert, Cunihilds Bruder. Unter den Zeugen Erpholds ist auch Nahho: Ignatio mit einem riomanischen Namen, der Sohn des Grundherren Ilbinc in Knetzgau (s. unten).

Aus Lorscher Urkunden kennen wir Erpholds Familie genauer: Seine Eltern waren Radulf und Theotswind. 771 stiftet Erphold mit seinem Vater Radulf in †Hermsheim/Mannheim an das Kloster. Sein Bruder Leidrat, verheiratet mit Gisalswind, machte 807 in Wieblingen/Heidelberg eine Gedenkstiftung für die Mutter Theotswind. Die Familie hatte weiteren Besitz im rheinischen Ilvesheim, Sickenheim, Dossenheim und in Hessen (790). Zum Familienumkreis gehörte auch Albolv (772, 776).

Erphold war mit Walderada verheiratet: 783 schenkten beide in Werdorf /Wetzlar im Lahngau an Lorsch. Walderada ist ein zu dieser Zeit und in diesem Umfeld häufiger Name. Er lässt sich hier jedoch eindeutig zuordnen: 792 schenkte Waltrada zum Seelenheil ihrer Mutter Geilrada in Schwabenheim/Neckar an das Lorscher Kloster. Zeugen waren dabei Albolt, Hugbert (s. o. Albolv) und Radulf (so heißt Erpholds Vater). Auch der Familienverband Geilradas ist gut bekannt. Ihre Eltern, Waltradas Großeltern waren Ruotswind und Otacar, fidelis Karls des Großen, Großgrundbesitzer im Rhein-Maingebiet, insbesondere in Mainz und Wackernheim, wohl dem Sitz der Familie (754/79). Geilradas Schwester Geila war mit dem Taubergaugrafen Audulf verheiratet, seit 799 Präfekt in Baiern als Nachfolger des gegen die Awaren gefallenen Gerold, 805 Kommissar an der Embargogrenze in Baiern zu den Slawen.

Cunihild hatte dem Kloster Fulda zusammen mit Meginwart 867 Besitz in Dorrestat/Döringstadt zukommen lassen, zugleich aus dem Erbe ihrer Mutter Waltrada Besitz in Waltradehus/Waltershausen, Rhön/Grabfeld sowie 22 Hörige. Ihre Zeugen waren u. a. Adalolt, Reginolt, Erbo, Rudolf, Waluram und Huoz, ein erneuter Hinweis auf die genealogia der baierischen Huosi. 874 machte Cunihild eine weitere große Schenkung an Grundbesitz und 78 (!) Hörigen in Salz (also auf Fiskalgrund), Tambach, Bodelstadt, Geisenheim und weiteren Orten in der Region. Ihre Zeugen waren diesmal Radulf, Gerold, Meginolf und Etih (mit dem Etichonen-Namen wie 838 in Widarolts Schenkung in Jüchsen).

Einen interessanten Hinweis gibt Cunihilds Mittradent Meginwart 867, wohl ein Verwandter, vielleicht sogar ihr Ehemann. Er verbindet den „mattonischen“ Namensteil „Megin-“ mit „-wart“ wie bei Huswart, dessen Name so gar nicht in die alaholfingische Namensgebung zu passen scheint und wohl durch Heirat mit einer Mattonin in die Familie kam, wie das auch die Gedächtnisstiftung des Nidgoz für Huswart nahelegt. Dieser Meginwart testierte 796 im rheinischen Dienheim, wo wir bislang schon häufig dieses Personenumfeld beobachten konnten, zusammen mit Meginhart, Gotahelm (vgl. die Personennamen helm-/goz-) mit Maghelm/Machelm und Sandrat, dem Verwandten Hartrats. Mit Gotahelm und Thuringbert, Reginolt, Madalbert leistete Meginwart Zeugenhilfe für Iring, der 822 in Bad Kissingen u. a. eine Hörige namens Cunihild stiftete. Mit Adalhelm testierte er 841 für Benedicta ebendort. Meginwart gehört also ins unmittelbare Umfeld dieses Familienverbands.

Macco/Megingauz – Matto/Madalgauz – Juliana – Othelm: 788 schenken Matto und sein Bruder Megingoz für ihren Todesfall 2/3 ihres Erbes von ihrem Vater Macco, nämlich ihr Eigenkloster Einfirst-Mattenzell/Hammelburg sowie in Wenkheim, Thüngen, Geisenheim, Stockheim, Sülzfeld, Rannungen, Schwanfeld, Bodelstadt, Birkenfeld (welches ?) und weiteren Orten wie auch in Knetzgau, Döringstadt, Leiterbach, Pfersfeld, Ebensfeld, Ebing, (Weichen-, Dörn-) Wasserlos und Ebelsbach an Kloster Fulda. Mit der darauf folgenden Schenkung von 63 (!) Hörigen wird auch die Schwester und Äbtissin Juliana bekannt, ihr wird wohl das letzte Drittel des Erbes zustehen, und der (verwandte) nuntius ( ihr

Rechtsvertreter) Othelm.

Man bezeichnet diesen in der Forschung häufig zitierten Familienverband nach einem seiner „Leitnamen“ als „Mattonen“. Wir haben oben bereits auf die auffällige Namensbildung in diesem Umkreis hingewiesen: Matto/Madal-, Macco/Magin-, Helm- :Adal-helm, Goz-helm, Got-, Gauz-, Goz-, Nid-goz, u. ä. Karl Ferdinand Werner gab nun den wohl entscheidenden Hinweis: Er sah im romanischen *goda/gauz/goz eine Entsprechung für das germanische *wald- und dessen allmähliche Übernahme bei der Namensbildung, belegt z. B. im Personennamen Gauztrud > Waldtrud > Waltrada. Der Familienverband hatte demnach auch romanische Wurzeln. So werden auch romanische Namen wie Juliana in der Familie erklärbar, ähnlich wie in der Rantwig- und Etichonen-Familie (s. o.). Wir werden noch weitere Beispiele kennenlernen. Diese sprachliche Entwicklung sei im 7. Jahrhundert vom burgundischen Dukat um Besançon ausgegangen, praktiziert vor allem vom neustrischen Adel.

Auch einer der Brüder der Königin Hildegard hieß Megingoz. Einer ihrer Vorfahren war der Alamannen-Herzog Got-/Gauz-frid († um 707, vgl. Fricco: Fridu-). Zweifelsfrei zu den Mattonen gehörte Bischof Megingauz von Würzburg († 783), dux et nepos Karoli Magni, verwandt zudem mit dem Würzburger Bischof Gozbald. Hier sei erinnert an den „heidnischen“ Würzburger Herzog Gozbert mit einem Mattonen-Namen. Um 689 ließ er angeblich auf Anstiftung seiner Frau Geilana (wie die Tochter Otacars: vielleicht aus dem Unterstützerkreis der „aufsässigen“ Mainzer des Herzogs Radulf) den Irenmissionar Kilian und seine beiden Gefährten hinrichten. Gozbert lebte in „unrechtmäßiger“ Ehe mit Geilana, der Witwe seines Bruders, lud damit schwere Schuld auf sich. So traf die Damnatio der karolingischen „Hofberichterstattung“ das Haus der allzu autarken thüringischen Herzöge in ähnlicher Weise, wie dies schon vorher erfolgreich in der Passio des hl. Korbinian durch Bischof Arbeo von Freising gegen die baierische Herzogsfamilie formuliert worden war.

Wir finden noch einen weiteren Kontext: Gauz-bert hieß der Sohn von Gauz-lin und Alde-trudis, sein Bruder war Rorico († 841). Der war mit Ro(t)-trud († 810), einer Tochter Karls des Großen liiert: ein neustrischer Adelsverband im Raum zwischen Bretagne, Maine und Paris, den man als „Rorgoniden“ bezeichnet und der wohl zu diesem „mattonischen“ Umfeld gehört. Zur Familie zählt Gauziolen/Gauz-helm, im 8. Jahrhundert Bischof von Le Mans. Zur Verwandtschaft gehören Adel-trudis und Madal-berta, die Töchter des Vincenz Madal-gar aus Strepy/Mons, Gründer des Klosters Hautmont im Hennegau. Madal-gar war verheiratet mit Walde-trudis († 688), Gründerin des Klosters Ste.Waudru in Mons. Die Schwester der Walde-trudis war Adelgundis. Ihre Mutter Bertilia (ein romanischer Name), eine Schwester Pippins des Älteren, gründete das Kloster Moroeil. Ihr Vater Walde-bert (!) war wohl der 626/27 im Gefolge Chlothars II. auftretende domesticus und Amtsträger in der Umgebung von Paris. Er gehörte zum Kreis um Bischof Dado/Audoin von Rouen (erinnert sei an Rantwigs Weißenburger Gründersippe und ihren widonischen Verwandten, den domesticus Audoin um 700) mit engem Kontakt zu Columban und seiner Mission im burgundischen Luxueil. Der Familienverband war verwandt mit den Burgundofaronen von Meaux. Adelgundis war um 630 geboren in Cousolre/Curtis Solra (flämisch Waterloo, ostfränkisch Wasserlos:„Wasserstelle“). Ihre Weihe zur Nonne erhielt sie vom hl. Amandus. Das Missionsgebiet dieser hochadeligen Klostergründer war das nördlich der Francia gelegene Gebiet im Hennegau, in Bra/c/-bant, Austerbant und Teisterbant im Friesengebiet: Der „Banz-gau“ mit Altenbanz, (Schloss, Kloster) Banz hat die gleiche Bedeutung als „Landschaft, Gebiet“. So ist der Bezug zur Region am Obermain auffällig genug: Es ist einerseits die Verbindung der alten Familien in ihren Leitnamen einschließlich der sprachlichen Besonderheiten. Weiterhin sind es die familiären Bindungen untereinander, wie sie auch an den Güterzentren ihrer frommen Schenkungen deutlich werden. Und es ist nicht zuletzt das Patrozinium der hl. Adelgundis in der Bergkirche auf dem Staffelberg: Nach alter Tradition war das Kirchweihfest am ersten Sonntag im Juli (Patronatsfest am 30. Januar), verbunden mit Wallfahrten aus dem weiteren Umland und einem Umzug um das Bergplateau wie an einem zentralen Kultort. Gleichzeitig wurde ein Markt abgehalten. Die Sagenüberlieferung berichtet von einem Wettstreit zwischen Kunigunde, Veit und Adelgundis um das Patrozinium der Kirche: Adelgundis obsiegte über die in den Mainlanden so hochverehrte Kaiserin!

So war auch jener „Grenzkommissar“ Madalgaud 805 in Hallstadt im „heimischen“ Umfeld aktiv. Verstorben ist er um 818. Sein Sohn Adal-helm (!) erhielt einen (heute verschollenen) Gedenkstein mit der erhaltenen Inschrift: Adelhelmi, filii Madalgaudi, Francorum quondam ducis. Nithart, Chronist und Enkel Karls des Großen, berichtet, dass er mit Richart und Angilbert (seinem Vater) aus einer Sippe mit Madalgaud stammte, der bei Karl in großem Ansehen stand. Auffällig allein schon der Mattonenname Nit-hart (wie 753, vgl. oben Nid-goz). Dieser Pfalzgraf Ric-hart († nach 796), Verwalter der königlichen Domänen in Aquitanien, war königlicher missus 775 in Mainz, 782 Vorsitzender beim conventus publicus im Oberrheingau (ein Schöffe in Schwanheim war hier Fricco). Verheiratet war Richart mit Heriswind 788/790, einer Tochter des „Alaholfingers“ Nebi, wie in einer gemeinsamen Schenkung an Lorsch in Seckenheim deutlich wird. Als fromme Stifter an das Lorscher Kloster waren Nit-hart und Ric-hart 778 in Handschuhsheim/Neckar tätig.

 

 

  1. Albersdorf/Ebern 1231 Albolsdorf: zum Personennamen Albold/f (Karte, Nr. 13)

 

Mit Albolf treffen wir auf einen Personennamen, der schon mehrmals in signifikantem Zusammenhang aufgefallen war. Der besseren Übersicht wegen sei hier chronologisch verfahren.

722 richtete Papst Gregor II. ein Schreiben an die viri magnifici Thuringi et omnibus Deo dilectis fidelibus Christianis, in dem er um Unterstützung für das Aufbauwerk des Bonifatius bat. Ein Adressat war Aluold, ein weiterer war Asolf. Im 11. Jahrhundert berichtete der baierische Schriftsteller Otloh von St. Emmeram in Regensburg, ein Albold habe mit anderen zusammen die 725 von Bonifatius eingerichtete Cella Scti. Michaelis im thüringischen Ohrdruf eingerichtet. Der Grund und Boden dafür sei von einem Hugo senior, primus omnium Thuringorum gestiftet worden (Albolfs Vater hieß Hucbert). Der Brief des Papstes hatte demnach Erfolg gezeigt. Albolf war offenbar einer der führenden Männer in Thüringen, wobei zu fragen ist, was man damals wohl in der römischen Kurie unter dem Begriff Thuringi verstand. Es war die Zeit nach dem rätselhaften Abgang des thüringischen Herzogshauses der Hedene (nach 717), den man dem Eingreifen der Hausmeier zuschreibt gegen die allzu autarken duces, wie auch in der Alamannia und im Elsaß. Der Papstbrief sollte wohl eine „integrierende Wirkung“ erzeugen.

Mit dem Blick in die Urkundenüberlieferung des Klosters Lorsch am Rhein werden wir weiter fündig: Seit 766 ist dort ein Albolf als Zeuge bzw. Stifter frommer Schenkungen bekannt, wobei auch die familiären Verhältnisse deutlich werden. Albolf war der Sohn des vir illuster Hucbert und der Theodana. Der Familiensitz war wohl in Ottersheim/Mannheim im Speiergau (790). Die Brüder Albolf, Walmar und Druhtmar machen dort 792 eine Gedenkstiftung für ihre Eltern aus dem väterlichen Erbe. Albolf war mit Ruotswind verheiratet. Ihre Kinder hießen Hariolf (775 stiftete er in †Hermsheim aus dem Erbe Albolfs), Egilolf und Muotswind. Albolfs Verwandte Ruthart, Williswind und Mahtswind, die mit einem Salucho verheiratet war, waren 773/85 ebenso in Ottersheim begütert. Familienbesitz findet sich 779 zudem in Feudenheim/Mannheim, Handschuhsheim/Neckar, 783 in Schwetzingen, 791 im Kraichgau, 792 in Dossenheim und Schwabenheim.

Für Albolfs Bruder Walmar war 774 Hartrat Zeuge seiner Stiftung in Feudenheim. 776 leisteten Lambert, Albolf und Erphold (s. o. Bodelstadt) Zeugenhilfe für Leidrat, Erpholds Bruder. Dieser Leidrat war 793 im Enzgau begütert: Dort finden wir als Grundbesitzer in †Lienzingen 790 Albolf als frommen Stifter für einen weiteren Bruder Erlolf und 801 Albolt mit seiner (zweiten) Frau Amalswind. Für die Stiftung der Geilrada und deren Tochter Waltrada in Schwabenheim 792, Erpholds Gemahlin und Schwiegermutter, waren Albold, Crathart, Radulf, Rupert und Hugbert (so hieß auch Albolfs Vater) Zeugen. Auch hier kann man von Verwandtschaft ausgehen.

815 machte das Ehepaar Rantolf und Theodrada vor dem Mainzer Gaugericht im Wormsgau eine umfangreiche Schenkung an das Kloster Hersfeld. Ihre Grundstücksnachbarn in Mainz waren u. a. Theodo (ein Agilolfingername), Helmfrid (ein Mattone), Nebulunc (ein Alaholfinger) und Walah (s. u.) ein „Welscher“, Romane. Aufschlussreich zudem die hochrangige Reihe der örtlichen Zeugen: Hartrat in Dienheim/Rhein, Albold in † Locheim/ Oberrheingau, Erlwin und Albold in Weinheim/Bergstraße, in Spiesheim/Alzey Albold und Salucho, der Mann seiner neptis Mahtswind. Zeugen im Gaugericht nach dem Gaugrafen Guntram, Sohn des Mainzer Großen Waluram und der Waltrada, Bruder des Fuldaer Abtes Raban, waren u. a. Erbio, der Neffe der Königin Hildegard, und Muothar, Hartrats Enkel (mit Meginher und Reginher) in Mutterstadt und dort mit den Brüdern Fricco und Recceo als Grundeigentümer.

819 führt eine Urkunde zurück ins Elsaß, als der vir illuster Huc, einstmals Graf (s. Albolds Vater Hucbert) mit dem Wormser Bischof Güter tauschte. Die Reihe hochrangiger Zeugen, voran die Grafen, führte Etich an aus dem ehemaligen Elsässer Herzogshaus, dem wohl auch Huc angehörte. So hieß auch Bodols und Bleonungs Vater. In Brunn testierten der „Agilolfinger“ Odilo, der Rupertiner Haimrih und Hartrat, in Preuschdorf (wo Rantwig und Hartrat Grundbesitz hatten) Franco (s. u.), die Widonen Werner und Wido, Albolf und Odilo, in Walf Odilo: eine selten so anschaulich dokumentierte Konstellation widonischer, agilolfingischer und etichonischer Familienbeziehungen. Dass dazu in der Obermainregion noch Beziehungen zu den hier ansässigen Familienverbänden traten, zeigt Albolfs Zeugnis 824 bei der Gedächtnisstiftung des Mattonen Nidgoz für den Bodelstädter Huswart in Dörfleins am Main in der Slawenregion.

Auch für Albold gilt unsere bisherige Beobachtung, dass eine Reihe von hochrangigen adeligen Grundbesitzern aus dem Elsaß, aus der Alamania und vom Mittelrhein in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts von dort in die obermainisch-thüringischen Regionen zugewandert ist, in ein „Machtvakuum“ nach dem Ende des thüringischen Herzogtums der Hedene. Mit dem Ende der Merowingerherrschaft, der sich die meisten dieser adeligen Großgrundbesitzer auch familiär verpflichtet fühlten, sind diese Familien bzw. einzelne Familienmitglieder wohl dem zunehmenden Druck der Hausmeier und deren Parteigängern in ihren Heimatregionen ausgewichen, ohne ihren Status als Angehörige der Aristokratie zu gefährden. Vielmehr haben sie durch gegenseitige Heiratsverbindungen und Besitzverflechtungen ein überregionales Netzwerk aufgebaut, in dem ihre Funktion als „Reichsaristokratie“ auch unter den neuen Machtverhältnissen ihre Bedeutung behielt.

 

  1. Rattelsdorf, Lkr. Staffelstein, seit 1972 Lkr. Bamberg 10. Jdt. (Kopie um 1160) Ratolfesdorf: zum Personennamen Ratolf, Radolf (Karte, Nr. 6)

Rattelsdorf liegt östlich von Reckendorf (s. o. Nr. 4) an der Itz, umgeben von mehreren vor- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen und frühmittelalterlichen Wüstungen.

 

Der Personenname Radolf u. ä. kommt in den zeitgenössischen Quellen häufig vor: zwischen 765 und dem ausgehenden 9. Jahrhundert in den Fuldaer Urkunden mehr als vierzigmal, in den Lorscher Verzeichnissen mehr als fünfzigmal. Der Name war beliebt, vielleicht gerade in Ostfranken in Erinnerung an den erfolgreichen Herzog Radulf in Thüringen (um 640), vielleicht aber sogar aus noch bestehenden familiären Traditionen.

Radulf hatte nach der Niederlage der fränkischen Truppen 631 gegen die Slawen unter ihrem Führer Samo vor der Wogastisburg eine selbstständige Herrschaft in Thüringen aufzubauen vermocht und sich erfolgreich gegen die Zentralgewalt bzw. die von den Arnulfingern dominierten Adelsgruppen durchsetzen können. Dies vor allem auch militärisch mit Unterstützung des Agilolfingers Fara und Mainzer Hilfskontingente (s. Anm. 387). Radulf gehörte wohl zum Familienverband des Chagnerich von Meaux und war ein Neffe des Bischofs Dado/Audoin (!) von Rouen (641/84), der Gründerfamilie der Klöster Rebais und Jouarre. Er stand in engem Kontakt mit den hier bereits genannten Familienverbänden neustro-burgundischer Herkunft wie den Burgundofaronen von Meaux. Mit den angrenzenden Slawen betrieb Radulf offenbar eine ausgleichende Politik.

Der Name Radulf war uns bisher mehrmals aufgefallen, zuletzt als Vater des „Bodelstädter“ Grafen Erphold und seines Bruders Leidrat, als Großvater der Cunihild (877). Radulfs Frau Theotswind war eine Tochter des „Agilolfingers“ Theodo. 792 war Rad-ulf mit Albold Zeuge bei der Schenkung von Erpholds Frau Walt-rada und ihrer Mutter Geil-rada im rheinischen Schwabenheim an das Lorscher Kloster. Die Beziehung zwischen beiden Familien und damit auch zu den Mainzer Otacaren müssen eng gewesen sein, denn seit 766 bis ins 9. Jahrhundert lassen sich die Namen Radulf und Erphold gemeinsam urkundlich vor allen in Lorscher Schenkungen im Lobdengau finden.

Mit den Machelm-Söhnen Brunicho und Moricho war Radulf mehrfach tätig: 788 als Zeuge zusammen mit Baugulf, dem Fuldaer Abt, für Brunichos Stiftung in Wintersheim/Oppenheim, 815 für Morichos Schenkungen in der Neckarregion. Mit dem Widonen Wernher testierte Radolf 792 in Seckenheim/Mannheim.

Auch im Umkreis des Weissenburger Klosters im Elsaß ist der Name Radulf gut belegt. 737 schenkte Radulf in Buxweiler/Bas-Rhin aus dem Erbe seiner Mutter Amita/Amalind und aus dem Erbe seines Vaters Raginliod an das Kloster, wobei Theodo Zeuge war. In Buxweiler hatte auch Erloin, Sohn von Audoins (!) weiterer Tochter Mumma und des Schwiegersohnes Haroin Besitz. Der centenar Haroin wiederum war 718 Spitzenzeuge im Testament von Rantwigs Großvater Chrodoin. Die Familie wird näher bekannt, als Radulf und seine Mutter Amita Besitz von deren Eltern Audoin und der „Agilolfingerin“ Theudala/Theotlind 712 Güter in Audoaldi villa verkaufen. Zeugen sind Weroald, Radulfs Bruder, Haroin, Rathelm (s. o.), der amtierende Notar war Chrodoin. Das ist nun eindeutig die Familie des domesticus Audoin, dessen Cousin oder naher Verwandter Petrus war, der Urgroßvater des Preuschdorfer Rantwig (s. o.), die Gründerfamilie des Klosters Weißenburg. Wir erinnern uns, dass in Preuschdorf 766 Blidgard für ihren Sohn Radulf eine fromme Stiftung tätigte. Sie war wohl des älteren Rantwig Ehefrau. Unter Verwandten befinden wir uns, wenn 774, 776 Ado für Radulf aus dem Besitz seiner Mutter Theotlind in Preuschdorf stiftete, wobei der „Agilolfinger“ Theodo testierte. Radolf heißt sowohl Theodlinds Vater als auch ihr Sohn.

Wir finden diese Familie etwa zeitgleich 750/802 in Hosingen/Hüssingen bei Gunzenhausen, als Ratolf und Theotlind (eine Agilolfingerin ?) dort an das Bonifatiuskloster in Fulda schenkten: Der Ortsname weist erneut auf die baierische genealogia der Huosi hin.

Die ältesten Spuren für eine Radulf-Überlieferung sind also im Elsaß in dem Familienverband zu finden, von dem sich die Widonen herleiten lassen, in enger Verbindung mit den Chrodoinen, Rantwigs Familie und ihren Agilolfinger-Verwandten.

In den Fuldaer Aufzeichnungen beginnt die Überlieferung zu Radulf 771 als Grundstücksnachbar in Mommenheim/Wormsgau (Mumma hieß Radulfs Tante, die Schwester seiner Mutter Amita, Tochter Audoins). Ebenda traten Radolf und Maghelm in Elsenheim 793 als Tradenten auf mit den Zeugen Achiol/Agilolf, Franco (s. u.), Vodilo/Odilo und Grimoald, eine eindeutig agilolfingische Gruppe. Dass wir es im Folgenden mit uns bereits bekannten Gruppierungen zu tun haben, belegt die wiederkehrende Zeugenreihe: Hartrat-Otacar-Radulf 803, 818 in Dienheim/Rhein, in Nüdlingen zwischen 807 und 842 mit den Widonen Nantwin und Arndeo, dem baierischen Swidger, den Mattonen Manto/Matto, Madalbert, Helmfrid, Othelm und Otmunt sowie Raban. 815 leistete Radolf Zeugenhilfe für den (verwandten) Erloin in Grattstadt. 822 war Radolf zusammen mit den „Pleonungen“ Hatto und Bleonung Zeuge in Rannungen und Massbach für Altfrid und Alt-/Adal-Thuring. 823 erscheint Radulf als Schreiber und Subdiakon des Fuldaer Klosters. Im Fuldaer Necrolog ist ein Radolf zu 810, 822 und 839 als verstorben aufgeführt. Schließlich folgte 874 auf Tacholf, den Markgrafen der thüringischen Sorbenmark der dux Ratolf, seit 838 Gaugraf im Grabfeld. Er wird wohl aus dem oben genannten Familienverband stammen.

 

 

  1. Unnersdorf, Lkr. Staffelstein, seit 1972 Lkr. Lichtenfels, 9. Jahrhundert Vnrochesdorf: zum Personennamen Unroch (Karte, Nr. 8)

Am Mainübergang Staffelstein-Banzgau der Altstraße in Richtung Thüringen bzw. über die Nordalb nach Forchheim-Regensburg, am Fuß des befestigten Banzer Burgbergs gegenüber dem Staffelberg (spätkeltisches oppidum, germanische Burg). Im Umkreis mehrere vor- und frühgeschichtliche Siedlungen, Gräber der Merowinger-und Karolingerzeit (u. a. „thüringische“ Pferdebeisetzung). Zur Urpfarrei Altenbanz.

 

Als Vnrochesdorf wird der Ort erstmals im sog. „Banzer Reichsurbar“ (s. o. wie †Eglofsdorf Nr. 6) im 9. Jahrhundert urkundlich genannt (Kopie 12. Jahrhundert). In diesem Verzeichnis von Fiskalgütern (cap. 10) wird Unnersdorf mit einem Fronhof, vier Hufen Ausbauland, zwei freien Kolonen, zwei Winzern und einem Stoffwirker sowie mit 33 Dienstleuten und einer Mühle (cap. 11) aufgelistet. Die Winzer in Unnersdorf, in Nedensdorf nebenan, der benachbarte Ortsname „Weingarten“ weisen auf den frühmittelalterlichen Weinbau wie auch am gegenüberliegenden Staffelberg hin, bedingt durch milderes Klima, während das heutige Weinanbaugebiet am Main entlang nur bis nordwestlich von Bamberg 25 km weiter westlich reicht. Der im Mittelalter am Staffelberg angebaute „Rote Löwe“ war eine bekannte Rebsorte.

Von wirtschaftlicher Bedeutung war zudem der im Urbar aufgeführte Stoffwirker: fullo, welcher die paltenae, Lodenfilzstoffe, herstellte. Dies setzt eine bereits entwickelte Schafzucht voraus, wie sie im „Reichsurbar“ für Luzelowe/Kleinau/Ortsteil von Lichtenfels, aufgeführt ist. Da neben Unnersdorf auch Staffelstein im Urbar mit 30 Hufen enthalten ist (cap. 9), liegt hier eine typische Brückenkopf-Funktion am Main-Übergang zur Fiskalherrschaft im Banzgau vor.

Wir kennen Unrocus seu Hrocculfus/Unroh aus annalistischen Quellen um 786/800, 806 als königlichen missus, 805/6 als comes in der Alamannia (identisch mit dem Grafen Unroh von Ternois, † 811?). 811 war er mit den Grafen Walah, Meginhard u. a. an der Eider beim Friedensschluss mit den Dänen beteiligt. Im gleichen Jahr unterzeichnete er mit den Grafen Meginhard, Meginher, Otulf/Audulf, Walah und weiteren das Testament Karls des Großen. Er gehörte demnach zu den Großen in Karls Reich.

Unroh gilt als der „Stammvater“ der in den folgenden Jahrhunderten vor allem in Italien erfolgreichen Familie der „Unruochinger“. Die Herkunft des Familienverbandes ist umstritten. Es bleibt zu prüfen, ob sich ein Träger dieses Personennamens in unserer Region namhaft machen lässt.

Zunächst finden sich Namensträger im bereits bekannten Personenumfeld: 795 sind u. a. Racher (der Name gehört zu den „un-rohischen“ Namensformen), Rantolf (s. o.) und der Widone Werinher Grundstücksnachbarn in Berg/Bingen, mit den Zeugen Eberhard, Unroh, Rantulf, Gerold und Machelms Sohn Brunicho in der Schenkung Edirams für seinen Bruder Adalhart. Ein Racher wiederum bezeugt Unrohs Stiftung an das Lorscher Kloster 778 in Laubenheim im Speiergau. Zwei Jahre zuvor war Racher zusammen mit Lambert, Erbolf/Erphold und Albolt Zeuge für Erpholds Bruder Leidrat bei seiner Lorscher Schenkung in Ilvesheim und Dossenheim/Lobdengau tätig. Das ist nun der bereits bekannte Bodelstädter Erphold mit seinem Bruder Leidrat, die Söhne Radulfs, Waltradas Gemahl und Schwiegersohn der Geilrada, der Tochter des Mainz-Wackernheimer Otacar. Racher war offenbar ein Sohn des Unroh. Außerdem verkauften Lambert und Unroh 782 im elsässischen Lembach an Ermbald Grundbesitz mit dem Zeugen Nordbert: So hieß wiederum der Bruder des Mainzer Otacar. Er war Anteilseigner an der St. Lambert-Kirche in Mainz. Damit ergibt sich eine deutliche Verwandtschaftsbindung zwischen der Erphold-Albolt- und der Otacar-Unroh-Familie mit dem Widonen Lambert, auf die wir mit den Anteilseignern von St. Lambert in Mainz mehrfach hingewiesen haben. Das zeigt sich auch an folgender Konstellation: Dieser Unroh war mit Theota verheiratet, beide Grundeigentümer und Lorscher Stifter in Maudach/Ludwigshafen 770. Am selben Ort tradierte 773 der Widone Nandolf mit seiner Frau Albswind und 781/82ein Alaolf, womit zugleich die „alaholfingisch/ agilofingische Komponente“ dieser Familienbeziehungen dokumentiert ist. Dass dazu die Mainzer Otacare gehören, belegt Nandolfs und Erpholds Zeugnis für Otacars (Enkelin ?) Geila 806 in Steinerwald/ Oberrheingau, eines jüngeren Nandolfs Frau (so hieß auch Otacars Tochter, die Gemahlin des Baiernpräfekten Audulf). Bei ihrer Lorscher Schenkung waren Erpholt, der Widone Nanding und Berengar († 837) Zeugen: der Enkel des Grafen Unroch mit dem charakteristischen Leitnamen der italisch-friulanischen Unruochinger. Verheiratet war er mit Gisela, Tochter der Welfin Judith.

796 testiert Unroh mit Fricco, Gerold und Erbio, den Verwandten der Königin Hildegard, für Hadurihs Schenkung im Rinach- und Wormsgau in Dienheim, Mainz, Bretzenheim und Talheim an das Fuldaer Kloster. Nach mehrjähriger Unterbrechung (ein Unroh ist 802 im Fuldaer Necrolog als verstorben aufgeführt) erschien 814 ein jüngerer Unroh in der Schenkung des Ferting im Saalegau, aber wiederum im gleichen Umfeld mit Fricco, Gunzo, Wurmher und Rudolf als Zeugen.

Es ist unschwer zu erkennen, dass die Namensträger Unroh am Obermain eng verbunden sind mit der gleichfalls in der Region agierenden Familie des Grafen Erphold und seiner Verwandtschaft zur Familie des Mainz-Wackernheimer Otacar wie auch des rheinischen Tradenten Rantolf. Unübersehbar ist zudem die Verbindung zu Fricco samt seinen elsässischen Wurzeln, wie sie auch beim Lembacher Grundherrn Unroh erkennbar werden.

Insofern nimmt Unrohesdorf im „Reichsurbar“ eine besondere Stellung ein, weil der namengebende Ortsgründer, wie wir ihn ermittelt haben, vielleicht sogar in einer herausgehobenen Position und Funktion als „Reichgutsverwalter“ dieses Fiskalbezirks in Erscheinung getreten ist, wohl identisch mit dem älteren Unroh (vor 800/bis 802). Dabei wird auch der Status von Staffelstein als Reichsgut deutlich, noch 1130 erkennbar.

 

  1. Döringstadt, Lkr. Staffelstein, seit 1972 LKrs. Lichtenfels, 791 (D)Vringosteti: zum

Gentilnamen „Thüringer“ oder Personennamen D/Thuring (Karte, Nr. 7)

Im Umkreis frühmittelalterliche Reihengräber, Siedlungsplätze der Kaiserzeit und des frühen Mittelalters, frühmitttelalterliche Ringwallanlage „Possenberg“. In südwestlicher Gemarkung †Alsdorf: 1057 Adeloltesdorf (s. Personenname Adelolt im folgenden Text).

 

Belegt ist der Personenname Thuring als Grundherr in Fuldaer Urkunden 812, 817 in Sachsen, wie auch der Personenname Alt-(Adal-) seit 765 und Halb-Thuring 814. 812 testierte Thuring zusammen mit Liwicho (s. u.), Bodololt (s. Bodelstadt) und Hartrat die Schenkung des Engilrih im Baringau und Tullifeld.

Der Personenname hat einen ausgeprägten regionalen Bezug, denn der Sohn des letzten thüringischen Herzogs bis zum Eingreifen der Hausmeier, Heden und seiner Frau Theodrada, hieß Thuring (bis etwa 717). Insofern ist schwer zu entscheiden, ob ein Personenname oder ein übertragener Gentilname im Ortsnamen als „Thüringer“- (Wohn-) Stätte vorliegt. Der Ortsnamentyp -stat weist zudem auf ein höheres Alter als die bisher besprochenen Ortsnamen -dorf hin (vgl. Bodelstadt). Er wird spätestens im Laufe des 8. Jahrhunderts entstanden sein.

Zudem ist zu überlegen, inwieweit „Thüringen“ als Raumbegriff die Landschaften bis zum Main einschloss. Dies würde der Raumordnung des Diedenhofener Capitulares von 805 entsprechen, wo Hallstadt noch zum Kontrollbereich des „thüringischen“ Kommissars Madalgaud gehörte, während Forchheim bereits den baierischen Kontrollorten Audulfs zugeteilt war. Der Begriff „Radenzgau“ ist den Quellen nach erst im 9. Jahrhundert entstanden (889 genannt).

Wir erschließen uns das historische Umfeld von Döringstadt mit einer Schenkung von Hiltrih und Hruadun/Rada 791 an das Fuldaer Kloster mit Gütern um Schweinfurt und am Obermain, wobei Döringstadt ausdrücklich als Hruaduns Besitz deklariert ist. 823 ist Hruadun am Fiskalort Salz und wohl auch in Münnerstadt begütert. Der Familienverband Hruad-uns wird deutlich, als eine (ältere) Hruadun 765 zusammen mit ihrem Mann Hahbert zum Gedenken an ihre Verwandte, die Äbtissin Hruad-loug in Geldersheim eine fromme Schenkung machte. Aufschlußreich sind ihre Zeugen: Altthuring, Adelolt, Bischof Megingoz von Würzburg (hier nicht als Amtsinhaber, sondern als Familienmitglied inmitten der Zeugen) Raban und Althelm/Adalhelm. Es sind hier zweifellos Mattonen tätig, aber eben auch Altthuring, in gehobener sozialer Stellung als „von vornehmer Geburt“ benannt, hier offenbar im familären Umfeld. Damit erschließt sich der gesamte Familienverband: Altfrid/Adalfrid mit seiner Frau Folrad(a) und dem Sohn Altthuring stifteten 791ebenfalls in Geldersheim, wobei ihre Zeugen Otacar und Eburacar auf die Nähe zu den Mainzer Otacaren verweisen. Auch ein Rantwig war dabei. 792 erfahren wir anlässlich einer Stiftung, dass auch der Vater Alt-frids (cf. Fricco: Fridu-) Altthuring hieß und in Rannungen Besitz hatte, sein Bruder hieß Cuni-bert (cf.Cuni-hild) und war Priester geworden. Zeugen waren damals Nant-wig (cf. Rant-wig,- so hieß auch Hartrats Zeuge), und Nidgot/z, der Mattone und Verwandte des Bodelstädter Huswart 824 mit seiner Gedenkstiftung am Obermain in der Slawenregion. 804 traten eben jener Altfrid mit Altolf-Adalolf und Altfrids Sohn Altthuring als Zeugen auf für die Schenkung der Brüder Gerhard und Ippin in Geldersheim, zugleich am Obermain in Ebing, Baunach, Taschendorf, Ebensfeld, Prächting, Pferdsfeld, in Sendelbach und Wasserlos (hier ist zweifellos der Ort auf der Nordalb gemeint). Unterzeichnet wurde in Geldersheim, wohl dem Familienzentrum. 822 stiftete Altfrid in Anwesenheit seines Sohnes Altthuring, nunmehr Priester geworden, mit den Zeugen Hatto und Bleonung (wir kennen sie als „Pleonungen“ in Bodelstadt) in Rannungen und Geldersheim je 32 Hörige: 812 mit Durinc, Bodololt, Liubicho, Hartrat. Wir haben oben schon auf die Tradenten in Rannungen hingewiesen: 779 die „Walachonen“ Alwalah, 800 Walahfrid, 788 die „Mattonen“ Matto-Megingoz-Juliana, 815 der „Alaholfinger“ Asolf, nunmehr die Altfrid-Altthuring-Sippe. Diese Zusammenschau repräsentiert tatsächlich die führenden Familienverbände in der ostfränkischen Mainregion mit ihren Verbindungen zum Mittelrhein.

 

11. Walsdorf, Lkr. Bamberg 1254 Walhestorf: zum Personennamen Walah, Walh
(Karte, Nr. 14)

Walsdorf liegt an der „Hohen Straße“ vom Haßfurter Mainübergang über den nordöstlichen Rand des Steigerwalds und den Aurachgrund zur Regnitz. Pfarrkirche Laurentius. Am südöstlichen Ortsende Judenfriedhof.

 

12. Knetzgau, Lkr. Haßberge 750/79 (Notiz 12. Jahrhundert) Knezcegewe: „Herrschaftsgebiet“(?) (Karte, Nr. 15)

Westlich mittelalterliche Wüstung †Milz; Flurname „Sulzlänge“; südwestlich Westheim (Fiskalort).

 

13. †Lubichendorf (Lage unbekannt) 780/802 Lubichendorf (Kopie 12. Jahrhundert): zum Personennamen Lubicho, Liwicho

Die Orte werden gemeinsam behandelt, da sie eine gemeinsame besitzgeschichtliche Struktur aufweisen.

 

 

Aus den Aufzeichnungen des Klosters Fulda ergeben sich folgende Besitzverhältnisse:

In Knetzgau

Wernher comes 780/802 und in Geroldshofen, Alitzheim/Adeloltesheim,

Astheim/Ostheim, Volkach, Westheim, Frankenwinheim

Erlwin 780/802 und in Grattstadt

Ilbinc 750/779 und in Geroldshofen, Frankenwinheim, Donnersdorf, Stettfeld

Marpburc 780/802und in Döringstadt, Leiterbach, Pfersfeld, Ebensfeld, Ebelsbach, Ebing, Wasserlos

Walah comes 780/802 und in Theres, Marpburghausen/Maria Burghausen bei Haßfurt, weitere am Main etwa Walsdorf: Walahesdorf,

†Lubichendorf im „Banzer Reichsurbar“, der Reihenfolge nach zwischen Gleusdorf und Lahm, vielleicht bei Logantesbah/Landsbach.

 

Die Widonen Graf Werner und Erlwin/Erloin aus der Gründerfamilie des Klosters Hornbach (742) waren uns schon mehrfach begegnet. Erinnert sei an die Enkel des domesticus Audoin und der Theudala mit ihrer Verwandtschaft, der Gründerfamilie des Klosters Weißenburg: der Familie des Rantwig, seines Vaters Chrodoin und Urgroßvaters Petrus. Zu ihnen gehören die Familiengruppen mit den charakteristischen Leitnamen Nant-: ein Nanther war 748 (vgl. Anm. 38) bereits Adressat von Papst Zacharias unter den viri magnifici Thuringi. Wernher († nach 806) war in Knetzgau als comes wohl in amtlicher Funktion bzw. als Lehensträger begütert. 805 kommandierte er die Kontrollstation in Lorch/Donau als Präfekt des Ostlandes. Von daher rühren wohl Wernhers Kontakte im Traungau zur romanischen Führungsschicht: In deren Händen lagen zunächst für den herzoglichen, nach 788 für den karolingischen Fiskus die Produktions- und Vertriebsstätten der Salzburger und Haller Salzlager.

Die Schenkung des Ilbinc führt nun gerade in diesen Bereich. Der Name erscheint nur hier in den Fuldaer, nicht aber in Lorscher Verzeichnissen. Auffällig ist zudem Ilbincs Besitz in „Gerolds“-hofen, wohl ebenso Reichsgut: Gerold, Schwager Karls des Großen, ist nach 788 Präfekt in Baiern. Er residierte in Regensburg.

Wir werden zudem in Salzburger und Passauer Urkunden fündig. Der vir potestativus Ilbunch, d. h. vornehme, hochrangige Mann von senatorischem Rang (unter den nomina fidelium virorum et nobilium et mediocrum aufgeführt) schenkte seinen Besitz in Eching/St.Georgen a. d. Salzach bei Salzburg und in Neufahrn am Wallersee der Zelle Otting am Waginger See, ein (später) Salzburger Kloster. Dieser Ilpunc war mit einer Imma verheiratet, der Sohn hieß Nacho: Ignatio. 788/800 schenkte er bei Schärding an das Passauer Domstift. Nahho mit diesem urkundlich seltenen Namen hieß aber auch ein Zeuge des Grafen Erphold bei seiner Stiftung 802/17 u. a. in Bodelstadt an das Bonifatiuskloster. Das wird kein Zufall sein. Wir gehen daher davon aus, dass Ilbinc 750/79 in Mainfranken identisch ist mit Ilbunc im Salzburger Land. Wir haben es also mit einer Familie romanischer Herkunft zu tun und zwar aus vornehmen Kreisen. 843 ist ein weiterer Ilbunc unter den veraces viri bei Verhandlungen über Jagd-und Fischereigrenzen am Aber-/Wolfgangsee aktiv. 849 schenkte er an Kloster Mondsee, Zeuge ist Graf Nordperaht/-bert.

Die Präsenz dieses Mannes an der Salzach und an den Seen im Walchengebiet (vgl. Straß-, See-, Kirchwalchen) der voralpenländischen Romanen ist aufschlussreich: War etwa das „Salzgeschäft“ der Grund für die Aktivitäten der Familie am oberen Main? Dann käme Knetzgau wohl auch eine entsprechende Funktion zu als Mittelpunkt einer Cent auf Fiskalland (und dabei mit der Gewinnung von Salz verbunden, worauf der Flurname „Sulzlänge“ hinweist).

In Zusammenhang mit dem Knetzgauer Grundherrn Graf Walach steht auch Walsdorf: Gründung eines Walch/Walach,- ein „Welscher“, Romane. Im gleichen Kontext können wir †Lubichendorf behandeln.

Nun kennen wir den Familienverband sehr gut: Graf Walah (776/77) war Sohn des Grafen Franco (!), dem wir bisher mehrmals begegnet sind (cf. Anm. 34, 45, 47), und der Eulalia (mit romanischem Namen), Grundbesitzer in Mommenheim/Oppenheim und in Meckenheim/Bad Dürkheim. Walah war mit Eggiwiz verheiratet, Tochter des Grafen Theodo und der Ada, Grundbesitzer in Bodenheim/Mainz und zahlreichen weiteren Orten am Mittelrhein. Walahs und der Eggiwiz Sohn hieß Liwicho/Lubicho: 795, 803 Graf im ostfränkischen Saalegau (wohl auf der Pfalz Salz) und in 2. Ehe verheiratet mit Egina: Auch sie trägt einen romanischen Namen. Weitere Söhne Walahs hießen (V)Odilo, Bubo und Reginher. Den Zusammenhang mit den „baierischen Mattonen“ stellt der Lorscher Tradent V/Wolfcoz her: Grundherr in Gimbsheim/Oppenheim, stiftete er 782 zum Gedenken für Hadaburg in Handschuhsheim/Neckar. 786/87 war Theodo Zeuge einer Gedächtnistiftung in Seckenheim/Mannheim: Hier war Nahho (der Sohn Ilbuncs) Zeuge 788 für die Schenkung eines Erbolf (vgl. Erphold s. o. 802/17), er selbst war Grundherr im rheinischen Dossenheim. In Bodenheim/Mainz treffen wir weiterhin 767 und 780 Adalhelm als Grundbesitzer, Richart 770 und Megingaud 795: Das ist der vir illuster, dux Francorum, 805 u. a. in Hallstadt eingesetzt, mit seinem Sohn Adalhelm und dem Verwandten Ric-hart. In Bodenheim stiftete zudem Theodo 786 für seine Tochter, die Äbtissin Aba, sein Enkel Bubo 794 zum Gedenken seiner Mutter Eggiwiz. In Meckenheim/Bad Dürkheim wiederum treffen wir Theodo mit einem weiteren Enkel (V)Odilo 768/69, ebendort auch Franco, den Vater Walahs und Schwiegervater von Theodos Tochter Eggiwiz. Mit Franco, Fricco (!) und Ric-hart ist Theodo 782 Zeuge in Schwanheim/Oberrheingau. Die Verbindung zu den Widonen zeigt Theodos Zeugnis 796 für Widos Schenkung in Edingen/ Heidelberg, wie auch der Widone Erloin in Knetzgau begütert war.

Lubicho/Liwicho: romanisch Libucio (825). Seine urkundliche Präsenz ist umfangreich. In Auswahl seien hier genannt: 795 war er Zeuge mit Nebi und dem Bodelstädter Huswart in Merkersheim/Grabfeld. 800 stiftete er mit seinen Brüdern Reginher, Bubo (verheiratet mit der Rupertinerin Williswind) und (V)Odilo für den Vater Walah in Roden/Offenbach, Wöllstadt/Frankfurt a. M. und Messel/Darmstadt Landbesitz und 77 Hörige (!). 812 war Liubicho in Westheim mit Thuring und Bodololt, in Mitilesheim mit Hartrat, Bodololt und Rudolf Zeuge. 813 schenkte Liwicho in Dienheim und Harxheim/Wormsgau. Seine Zeugen waren die Widonen Arnwis und Erlwin, Brunicho und Gunzo (die Verwandten Graf Machelms), der Romane Wegalenzo/Vigilantio, Rudolf, Ernst und Fricco.

817 deutete sich wohl ein Generationenwechsel an: Jetzt war ein (jüngerer) gleichnamiger Liwicho (sein Sohn?) beim Dienheimer placitum über Zoll, Waage und Gebühren dabei mit Fricco, Brunicho, Moricho u. a. Dienheimer Grundbesitzern. Er war wohl identisch mit dem dann bis 837 genannten Saalegaugrafen.

Eine besondere Beziehung lässt sich zwischen Lubicho und dem Ehepaar Ernst und Wartrun erkennen: 803 schenkten beide ihre villa Streu/Grabfeld dem Kloster Fulda. Liwicho als Gaugraf und Gunther sind ihre Zeugen. Deren Sohn Reginher (792) hieß wie Lubichos Bruder - dies deutet wohl auf Verwandtschaft hin. Ein weiterer Sohn Ernst († 865) sollte als Graf im baierischen Nordgau Karriere machen und führte die Böhmenfeldzüge 849/55 an. Eine Schwester war mit Karlmann, dem Sohn Ludwigs des Deutschen verheiratet. 861 wurde Ernst wegen „Untreue“ entmachtet: Er war wohl an Karlmanns Aufstand beteiligt. Gestorben ist dieser einst so mächtige Fürst 865, begraben ist er wohl in seiner Burg Sulz-bach.

 

14. Trunstadt, Lkrs. Bamberg 1013 Drondestat mit der Kapelle: zum Personennamen Troant

(Karte, Nr. 9)

Am Nordausläufer des Steigerwalds. Kirche St. Petrus und Marcellinus (ursprünglich zu Hallstadt). An der Mainfurt nach Oberhaid.

 

15. Trumsdorf, Lkr Kulmbach: 1121/22 Drunesdorf : zum Personennamen Troant (Druon zu

Druont< throand) (Karte Nr. 10)

Besitz der Walpoten aus Reichsgut (zum Königshof Kunigeshoven in montanis contra Boemiam, Anfang des 9. Jahrhunderts. Besitz des Klosters Fulda), Pfarrkirche (vor 1121/22 Magnus, danach Michael). An Kreuzung Ost-West-„Heerstraße“/„Hohe Straße“ nach Böhmen mit Nord-Süd-Straße Kronach-„Judenweg“-Forchheim-

Regensburg; frühmittelalterliches Eisenerzrevier zusammen mit Alladorf (zu ahd. alah: „Heiligtum“: frühmittelalterliche Reihengräber 7.- 9. Jahrhundert).

 

Mit der Person des Troant/Throand/Druent u. ä. erfassen wir eine Persönlichkeit, die in ihrem Aktionskreis zeittypisch ist für diesen Prototyp des Reichsaristokraten, ähnlich wie Otacar oder Graf Machelm. So gehörte er zu den zwölf viri magnfici Thuringi, an die Papst Zacharias 748 geschrieben hatte. Im Jahr zuvor war er Unterzeichner des Protokolls über die Festlegung der Grenzen des Fuldaer Klosterbezirks durch Pippin. Auch Troants Name ist in den Quellen gut belegt. Wir kennen ihn aus Freisinger Urkunden seit 776 bis etwa 806, von 792 bis 806 als Grafen. Verheiratet war er mit der Welfin Judith (806). Seine Söhne waren Drutmunt (der Name seit 769, 792–806 Graf, bis nach 816), Cundpald (seit 744/88, seit 773 bis nach 804, 794 als Mönch und 807 als Priester) und schließlich der Priester Cuonrad mit dem Welfen-Namen von Mutters Seite. Cundbald hieß wohl der Vater des baierischen Troant: Er ist 744 und 763 genannt und identisch mit dem gleichnamigen iudex 757 und 760. Das Kerngebiet der Familie in Baiern lag an der oberen Isen.

Der Name Cund-bald macht außerdem auf die Schenkung der bekannten Preuschdorfer Grundbesitzerfamilie im Elsaß 765 bzw. 766 aufmerksam, als Ger-bald und sein Bruder Rih-bald aus dem väterlichen Erbe von Wic-bald (cf. Rant-wic,- sein Bruder war Rat-bald) an das Kloster Weißenburg stiften: Ein Thruand war ihr Zeuge, zusammen mit Muother (s. o.). Diese begüterte Familie gehört zum Verband der Wulfoalde/Gundoine/Widonen, den Verwandten des domesticus Audoin und der Weißenburger Gründerfamilie Rantwigs. Sie waren uns bereits mehrfach begegnet. Dabei ist unschwer ihre Nähe zu agilolfingischen Namensformen –bald (cf. Gari-bald) zu erkennen. Ein Drutmunt (wie Troants Sohn) war bereits 713 und 715 Zeuge mit Erloin für Weroald und Gundoins Sohn Ermbert im Saargau. 762 ist Throant Spitzenzeuge mit Drutmunt und Erloin in einer Urkunde König Pippins für das Kloster Prüm. 769 bezeichnete sich dieser Troant als „Sohn des Bu(b)o“ (ein Grundbesitzer im elsässischen Lembach), als er mit Hartrats Zeugen Wulfico in Preuschdorf testierte. Wenngleich auch hier die Generationenfolge nicht im Detail gesichert ist, so bestätigt sich der familiäre Kontext, der überregionale Charakter der Familieninteressen und die Weitergabe traditioneller Leitnamen.

Das zeigt sich auch an Troants Präsenz in den Lorscher Verzeichnissen: 776 stiftet Droant dem hl. Nazarius in Jesingen im Neckargau und in Bissingen ebenda bei Kirchheim a. d. Lauter. Nun hat Jesingen Huosinga, Osingen einen Namen wie Jesenwang (Lkr. Fürstenfeldbruck) in Oberbayern (853 in confinio Hosiorum), den der genealogia der Huosi wie oben im Sualafeld. Wir waren bereits in Mainfranken auf den Personennamen Huoz gestoßen. Es gibt demnach eine Verbindung der Troant-Familie zu dieser genealogia, wohl gemeinsame Wurzeln, wenn man zudem die burgundische Herkunft des Namens Troant, seine Fortsetzung im nordburgundischen Elsaß und schließlich die Anwesenheit des Familienverbands im alamannisch-baierischen Kontext betrachtet.

Auch hier gehört die Familie zu den optimates, wenn Drudmunt in Begleitung Herzog Tassilos Zeuge war, als dieser 769 bei der Rückkehr aus Rom in Bozen cum consensu optimatum Baiouariorum die Gründung des Stiftes Innichen im Pustertal ad terminos Sclavorum dekretierte. Cundbald war bereits 763 als Zeuge bei der Gründung des Klosters Schlehdorf/Mittenwald für die Gründerfamilie der Ackilind (Agil-, eine „Agilolfingerin“) und ihrer Söhne zugegen. Das bestätigt sich, wenn wir 776 Troant, nunmehr Priester, im engsten Umfeld der Gründerfamilie des Klosters Schäftlarn/Isar (762) zusammen mit Waltrih (775 Abtbischof im burgundischen Langres und Dijon) und mit (Graf) Pipi, dem Bruder des Gründers (H)Atto finden. Die (H)Atten-Pleonungen sind uns bereits in Bodelstadt begegnet, nun in Baiern 819 Bodalung mit Drudmunt und Hartrat, 821 mit Durinc (vgl. Döringstadt) und 822 mit Bodalungs Sohn Reginolt in Schenkungen an das Hochstift Freising. Damit lassen sich denn auch eine Zuordnung der Huosi als alaholfingisch/

agilolfingische Gruppe wie auch die Verbindungen zu Troant und zum baierischen Adel in Mainfranken erklären.

Dies gilt umso mehr, als nun Troant (oder Drudmunt ?) in Holzkirchen/Marktheidenfeld im Waldsassengau südwestlich von Würzburg, ein Kloster gründete, das von Karl dem Großen 775 dem Kloster Fulda übertragen worden sein soll. Zur Ausstattung stiftete der nobilissimus comes Trunt u. a. Bunaha/Baunach: Beim Eintausch des Würzburger Bischofs vom Fuldaer Abt 816 war Baunach wo die Kirche erbaut ist unter den Holzkirchener Zubehörgütern. Ein Truand war unter den legati und Zeugen des anwesenden Kaisers Ludwigs des Frommen. Schließlich soll mit Troant und Asolf als Zeugen in der bereits bekannten Schenkung Erlwins 842 für Theodrada, die Witwe des Grafen Asis in Wenkheim ein vorläufiger Abschluss gesetzt werden.

 

Burgund - Baiern - Mainfranken

 

Wir waren bislang, zuletzt im Zusammenhang mit Troant, mehrmals auf „baierisch-burgundische“ Beziehungen gestoßen mit Verbindungen zu den mainfränkischen Familienverbänden: zunächst mit den „Waltrihen“ als Vorfahren der Etichonen-Herzöge im Elsaß und zugleich mit dem Schäftlarner Klostergründer Walt-rih 762 und den „baierischen“ Chorbischöfen in Dijon und Langres. Auch Rantwig und Fricco (mit seinem Bruder Reccheo) haben als Verwandte zu den Etichonen geführt: Eticho/Adal-rihs Herkunftsfamilie war in Burgund im Gebiet von Dijon und Langres begütert. Seine Großmutter Aquilina enstammte der Herzogsfamilie Waldelens, verwandt mit den einflussreichen Waltrihen. Rantwigs Familie, die Gründer des Klosters Weißenburg/Elsaß, war verwandt mit dem Familienverband der Gundoine burgundischer Abstammung. Eine weiteren Hinweis finden wir 788 in der Schenkung der illustris femina Egila, einer Agilolfingerin und ihres Gemahl Etih comes an das Salzburger Domstift in Tacherting/Traunstein. Es war Etihs Besitz, am Ort ist Herzogsgut nachgewiesen. Ebenda tradierten auch der „Roninger“ Adalung und Cunrad mit dem Welfennamen des Troant-Sohnes. Das nahe gelegene Frauenkloster im Chiemsee trug das Patrozinium des burgundischen hl. Leodegar von Autun. Aufschlussreiche Zusammenhänge fanden sich 819 beim Gütertausch des vir illuster Huc (wie der Vater der „Hatten-Pleonungen“ des 7. Jahrhunderts) in einer Weissenburger Klostertradition, als dort Odilo (wie der Agilolfinger-Herzog, Tassilos III. Vater), zusammen mit Eticho, der Königin Hildegards Verwandten Gerold und Udo, Albolf, Hartrat und Franco (wie Walahs Vater) mit den Widonen Wernher und Wido gemeinsam Zeugenhilfe leisteten (s. Anm. 33, 258). Ettigo/Etih fanden wir bereits oben als Zeugen des Jüchsener Tradenten Widarolt 838 an das Bonifatiuskloster in Fulda zusammen mit Wolf-helm, Albolt, Marc-win, Adalrih (!) und Nand-wig,- gleichermaßen 874 als Zeugen der Bodelstädter Tradentin Cunihild, Tochter des Grafen Erpfold und der Waltrada: zusammen mit den „Widonen“ Milo, Arnwis, Hilt-win und Erl-win.

Des weiteren waren uns die Widonen und Ellwanger Klostergründer Hariolf und Erlolf 764 aufgefallen: Erlolf zugleich als Chorbischof im burgundischen Langres-Dijon. Ein Hariolf Sohn des Hahnavald gente Burgundionum ist als kaiserlicher Leibwächter in Trier bereits im 4. Jahrhundert genannt. Als Widone wird auch ein Warin-har in Burgund um 600 gelten. Der comes Gairoin/Gerwin von Paris (um 700), Bruder des hl. Leodegar von Autun, war burgundischer Herkunft und ist belegt als einer der Ahnherren der Widonen.

Als Gründer von Kloster Tegernsee (um 746) sind die Brüder Otacar und Adalbert genannt, einer späteren Überlieferung nach (Halb-)Burgunder. Deren Neffe Eijo, 1. Abt des Klosters Ilmmünster (um 762), hieß wie der gleichnamige Grundherr und Fuldaer Stifter 796 in Rannungen im Grabfeld.

Die Wurzeln der Mag-helm-Familie, Vertrauter Herzog Tassilos und „fidelis“ Karls des Großen, liegen im burgundischen Vienne (cf. Anm. 110). Er gehört zu einem Familienverband, dessen signifikante Form der Bildung von Personennamen wir an einem Personenverband im franco-/neustro-burgundischen Teilreich beobachtet haben, in dem sich die Personennamen -helm sowie -gauz/-wald entwickelt und weiter verbreitet haben. Wir rechnen dazu u. a. die Mattonen, aber auch die „baierischen“ Wilhelminer gehören dazu: Bei ihnen treten die charakteristischen Leitnamen Goz-helm/Willi-helm (735) ebenso auf wie Megin-goz/-helm zusammen mit dem „widonischen“ Namen Werinher. In ihrem baierischen Umfeld erkennen wir Verbindungen zum Familienverband des Podalunc (mit seinem Sohn Regino(lf) und zum „Roninger“ Adalunc (mit seinem Sohn Helmuni/-win). Diese Familien gruppieren sich u. a. um das (Fagana-?) Kloster Isen (8. Jahrhundert) und Besitzungen im oberen Isental bzw. um das Kloster Ilmmünster (s. oben).

Auch Troants Familie war an der oberen Isen begütert. Mit Troants Sohn Cund-bald und der Elsässer Verwandtschaft in Preuschdorf und Görsdorf mit Theot-bald, Rat-bald, seinem Bruder Wic-bald und den Söhnen Sigi-bald, Ger-bald, Rih-bald (der Familienverband hatte ebenfalls burgundische Wurzeln) stoßen wir nicht zufällig auf eine Namensbildung wie beim Bajovaren-dux Gari-bald/Gair-oald/-wald (cf. oben Gair-oin): Bereits Erich Zöllner hatte eine „burgundische Herkunft“ der Agilolfinger erwogen. Solche Auffälligkeiten verweisen zudem auf schon länger zurückliegende Kontakte zwischen Baiern und Burgund.

Nun gibt es tatsächlich eine Überlieferung von Siedlern bajowarischer Herkunft im burgundischen Varais. So heißt es in der Vita Ermenfredi des Egilbert über Eustasius, Schüler Columbans und seit 615 bis 629 Abt des burgundischen Kloster Luxueil (gegründet 590):

Auf Betreiben Columbans sei Eustasius zur Zeit des Frankenkönigs Clothar zu den Warascern gegangen um sie zu bekehren. Anschließend missionierte er „die Boier, die jetzt Boioarii heißen“, denn sie waren bonosianische Häretiker. Dort sei ihm berichtet worden, diese seien einst aus dem pagus Stadevanga, der im Osten um den Fluß Regen liegt, umgesiedelt (ejecti) worden. Mit den Burgundern fingen sie den Kampf an, und vom ersten Gefecht an flohen diese und sie blieben auch Sieger im Krieg und ließen sich in eben diesem Gau der Warascer nieder.

Der Gau Stadevanga am Fluß Regen weist auf eine Herkunft dieser Siedlergruppe aus dem (späteren) Donaugau nordlich der Donau hin. Auch ist der burgundische Gau der Warasccr unschwer zu erkennen im pagus Varascorum/Varais, der sich über die Region bei Besancon an den beiden Ufern des Doubs entlang im Dep. Bourgogne-Franche-Comtè erstreckt. Hier

finden wir 32 km nördlich von Besancon jenseits des Doubs bei Rougemont auch das bereits bekannte Trouvans/Troands (vgl. Anm. 357). Des weiteren ist zwischen Doubs, Djion und Auxerre eine Reihe von „Bajovaren“-Siedlungen vom Ortsnamentyp Beyviere, Baverons u. ä. bekannt. Auf diesen Beziehungen, beginnend etwa zurzeit der Einsetzung des Agilolfingers Garibald als baierischer dux durch den Merowingerkönig in der Mitte des 6. Jahrhunderts, mögen u. a. die Anfänge der burgundisch-baierischen Kontakte beruhen, auf die wir oben gestoßen waren. Die folgenden Entwicklungen dieser Beziehung bleiben jedoch im Dunkeln. Sie dürften nicht zuletzt auf das Wirken der Hausmeier, insbesondere Karl Martells zurückzuführen sein. Träger solcher Verbindungen waren zweifellos jene Familienverbände, die uns hierbei bisher begegnet sind.

 

  1. †Bibeningen/Ortsteil Binnig/Bad Berneck, Lkr. Bayreuth zum Personennamen ahd. *Bibi(n) (Karte, Nr. 12)

 

In Anknüpfung an Troands Umfeld der Schäftlarner Klostergründer mit (dem Grafen) Pipi sei auf den Ortsnamen Bibeningen aufmerksam gemacht: 1303, 1317/1332 als hennebergisches Reichslehen mit Würzburger Altzehnt aufgelistet, 1506 im Pynnich. Das ist der östlichste, isoliert gelegene Ortsname -ingen am Obermain, dem Ortsnamen-Typus nach wohl der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert zuzurechnen.

Bibeningen liegt an der „Heerstraße“/„Egerer Straße“ von der Hallstadter Regnitzfurt über die Nordalb, am Aufstieg über das Fichtelgebirge und das Egertal nach Böhmen. Hier, an der Kreuzung mit der „Heerstraße“ aus Thüringen über Kronach, (Stadt)Steinach, (Gold-) Kronach zum Kulm/Kemnath und nach Regensburg ist Bibeningen zugleich der westliche Endpunkt der jenseits des Gebirges um Eger liegenden Altsiedlungen mit Ortsnamen -heim, -ingen. Die frühmittelalterliche Wallanlage „Hohe Warte“ sicherte den Aufstieg der Straße, aber sicher auch die Goldvorkommen hier in unmittelbarer Nähe im Zoppatenbach („Gold“-Mühle) wie am Schorgaster „Goldberg“. Bibeningen wurde von Berneck als Herrschaftsmittelpunkt der Walpoten abgelöst.

 

Wir können im Ergebnis festhalten, dass die genannten personenbezogenen Ortsnamen -dorf in der Region etwa um die Mitte des 8. Jahrhunderts entstanden sind. Spätestens seit dieser Zeit machen sich die namengebenden Grundherren urkundlich bemerkbar, und zwar mit ihren Schenkungen an die Klöster: zum eigenen Seelenheil, zum Gedenken von verstorbenen Verwandten, auch als „Einkauf“ für den Eintritt ins Kloster am Lebensabend. Einige wie der nobilissimus Troant oder die Mattonen treten selbst als Klostergründer hervor. Es sind dies durchweg Angehörige der sog. „Reichsaristokratie“ als begüterte Oberschicht mit reichsweiten Besitzungen und Interessen. Sie lassen sich in der Alamannia, im Elsaß und in Nordburgund, in der Francia und in Baiern nachweisen, aber auch in ihren mittelrheinischen Besitzungen um Worms und Mainz. Auffälliger Weise lassen sich deren Vorfahren z.T. als merowingische Amtsträger vor allem im neustroburgundischen Teilreich des 7. Jahrhunderts aufspüren. Wir sind dabei auf Familienverbände der Widonen und Gundoine, der Chrodoine, Etichonen, der Alaholfinger und Agilolfinger samt der genealogiae der Huozi und Hahilinga, der Mattonen und Unrohinger gestoßen. Dabei sind auch Verbindungen mit Familien romanischer Herkunft u. a. bei Salzburg deutlich geworden. Nicht zuletzt traten immer wieder auch verwandtschaftliche Beziehungen zu den Karolingern auf: Es wurden aber hier distanzierte, ja gegensätzliche Reaktionen auf deren zunehmenden Herrschaftsanspruch deutlich, wie sie sich etwa im „Hartrat-Aufstand“ entladen hatten. Ein Großteil dieser Familienverbände sah sich weiterhin den Merowingern verpflichtet.

Sie alle bildeten untereinander ein raumübergreifendes Netzwerk aus gegenseitiger Nachbarschaft, Zeugenhilfe und Verwandtschaften, gruppiert auch um gemeinsame Kulttraditionen wie die Kirche des hl. Lambert in Mainz. Mit ihren Schenkungen in den genannten Dörfern wird deren Struktur deutlich, bestehend aus mehreren selbständig organisierten Höfen unterschiedlicher Grundherrschaften, wie dies die Besitzverhältnisse anzeigen. Sie gleichen mehr den -dorf-und -villar-Orten im Elsaß als den Großgemarkungen der älteren –ing(en)-Orte (wie etwa in Ebing) am Obermain. Bei diesen Stiftungen wird oftmals eine Schicht von zahlreichen Unfreien unterschiedlicher Herkunft namentlich bekannt.

Mit der Siedlungserschließung ist offenbar ein wirtschaftlicher Aspekt in der Produktion von Salz (Pfalz Salz, Ortsnamen Sulz-, Gewässername Saale) bzw. dem Abbau von Bodenschätzen/Eisenerz wie auf der Nordalb verbunden: zweifellos als Bodenregal fiskalischen Ursprungs und zugleich Hinweis auf die Bedeutung von Fiskalbereichen wie in Knetzgau und im Banzgau. Angelegt sind diese Orte erkennbar an „Heer“-und „Hoch“-Straßen entsprechend ihrer Funktion im Vorfeld der Slawengrenze contra Boemiam, wie das Diedenhofener Capitulare 805 und der Königshof auf dem Gebirge anzeigen.

Seit der Jahrhundertwende stoßen die genannten Grundherren allmählich ihre Besitzungen ab,- ein Prozess, der bis weit über die Mitte des 9. Jahrhunderts andauert. Die Gründe dafür dürften einmal persönlicher Art gewesen sein (s. oben). Zum anderen ist es die Zeit der zunehmenden dynastischen Wirren, der Reichsteilungen und damit auch der Teilung der Grundbesitzungen dieser Reichsaristokratie in divergierenden Reichsteilen. Getragen von kirchlichen Einrichtungen wie dem Bistum Würzburg und den Klöstern beginnt nunmehr ein Integrationsprozess dieser heterogenen Bevölkerungsteile. Die Radenzgau-Grafschaft wird eingerichtet und damit die Trennung zwischen baierischen, fränkischen und thüringischen Interessen am Main eingeleitet. Das Kloster Fulda wird, trotz etlicher Tausch-,Kauf und Verkaufsaktionen mancherorts seinen Güterbesitz erhalten: so etwa in Baunach-Stufenburg, in Scheßlitz-Giech und in Königsfeld, wo bis zum Ende des 13. Jahrhunderts die Grafen von Truhendingen/Trüdingen als Fuldaer Vögte walteten.

 

 

 



   


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