ArchäologieMuseum Oberfranken - Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung; Stadt und Landkreis Forchheim, Oberfranken

Bereits seit 1911 ist in der sogenannten Kaiserpfalz, dem spätmittelalterlichen Stadtschloss der Bamberger Fürstbischöfe im Stadtkern von Forchheim, ein Museum eingerichtet (Abb. 1). Von Anfang an besaß es auch eine archäologische Abteilung, in deren Mittelpunkt seit jeher die Funde von der nahe gelegenen Ehrenbürg standen. Ende 1997 wurde ein Vertrag zwischen der Stadt Forchheim und dem Freistaat Bayern geschlossen: In der mittlerweile in städtischen Besitz übergegangenen Kaiserpfalz galt es, ein staatliches Zweigmuseum einzurichten, das der regionalen Archäologie ganz Oberfrankens gewidmet sein sollte. Nach umfangreichen Sanierungen in den Jah­ren 1998-2004, die überregional bedeutsame Wandmalereien aus dem 14. und 16. Jahrhundert sicherten, konnte das Gemeinschaftsprojekt verwirklicht werden. Am 27. November 2008 wurde das „ArchäologieMuseum Oberfranken" in der Kaiserpfalz Forchheim mit einem Festakt feierlich eröffnet. Neben dem „Landschaftsmuseum Obermain" in Kulmbach und dem „Archäologischen Museum des Historischen Vereins für Oberfranken" in Bayreuth bietet es jetzt den besten Überblick über die frühe Geschichte des Regierungsbezirks bis an die Schwelle zur Neuzeit. Realisiert wurde das neue Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung zwischen 2007 und 2008 im ersten und zweiten Obergeschoss des Ostflügels.

In fünf historischen Räumen stehen dort insgesamt rund 640 qm Schaufläche zur Verfügung, wobei eine historische Wendeltreppe die Verbindung zwischen beiden Stockwerken herstellt. Ein chronologischer Rundgang führt durch insgesamt 16 Themenbereiche, die inselartig mit farbig akzentuierten Vitrinenmöbeln auf einem Steinteppichboden gestaltet sind (Abb. 2). Dabei ist eine beidseitige, doppelte Betrachtung möglich: ein innerer Rundgang, der archäologisch von Thema zu Thema führt, sowie ein äußerer, bei dem sich neben weiteren Exponaten und Zusatzinformationen auch die Fresken betrachten lassen. So entsteht gleichsam ein Dialog zwischen mittelalterlicher Raumhülle und moderner Einrichtung, nicht zuletzt weil auch das Farbkonzept die historischen Farbwerte aufgreift und spielerisch variiert. Oberhalb der Vitrinen führen 26 großformatige Lebensbilder Szenen aus der oberfränkischen Vergangenheit vor Augen und zugleich in die jeweiligen Themen ein:

Von einer altpaläolithischen Freilandstation über eine Wagenbestattung der Eisenzeit und den Siedlertreck früher Franken bis hin zu Lebensverhältnissen in Mittelalter und früher Neuzeit decken diese friesartigen Rekonstruktionen sämtliche Epochen ab.

Eine ganze Reihe von Modellen dient zur Veranschaulichung bedeutender Geländedenkmäler. Ehrenbürg, Staffelberg und Burg Neideck wurden erstmals durch Airborne Laserscans vom Hubschrauber aus digital vermessen und die gewonnenen Daten eigens dreidimensional umgesetzt. Verlebendigt sind einzelne archäologische Befunde zudem durch computeranimierte Filmsequenzen, etwa zum vorgeschichtlichen Heiligtum und Grabhügel bei Naisa, zu Siedlungen der römischen Kaiserzeit, den „Bamberger Götzen" (Abb. 3) oder der Burg Neideck. Manch singuläre Exponate aus der Region wie besagte Bamberger Götzen aus der Zeit der Slawenmission, der Pettstadter Silberbecher oder das sogenannte Bamberger Petrusmesser sind durch qualitätvolle Nachbildungen vertreten.

Mehrere Stationen laden zum aktiven Mitmachen ein. So kann die Handhabung eines hallstattzeitlichen Schwertes ebenso haptisch erfahren werden wie der Aufbau einer karolingischen Pfalz durch hölzerne Bauklötze. Ein Ratespiel vermittelt die Bedeutung oberfränkischer Städtenamen aus dem Mittelalter. Neben den visuellen Eindrücken bieten drei Hörstationen akustische Erlebnisse: Musik erklingt auf einer altsteinzeitlichen Flöte, das „Vaterunser" wird auf Sorbisch gebetet - also annähernd in der Sprache der slawischen Siedler des Früh- und Hochmittelalters - , und das Bamberger „Ezzolied" ist in der Sprache des 11. Jahrhunderts, als gerade der erste Bamberger Dom fertiggestellt war, auf Frühmittelhochdeutsch vorgetragen. Entsprechend der landschaftlichen Gliederung Oberfrankens liegt ein Schwerpunkt der Darstellung auf dem Obermaintal, der Fränkischen Schweiz und dem Regnitztal, den fundreichsten Regionen des Regierungsbezirks; die nördlichen und östlichen Mittelgebirge wie Frankenwald und Fichtelgebirge wurden zum Teil erst im Hochmittelalter erschlossen. Viele Neufunde des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege aus den 1980er bis 2000er Jahren werden erstmals präsentiert, punktuell ergänzt sind diese Bestände um Leihgaben aus anderen Sammlungen und aus Privatbesitz.

Der Rundgang im ersten Obergeschoss beginnt mit einer Einführung in die Natur- und  Kulturlandschaft Oberfrankens. Es folgt die Kulturgeschichte vom Paläolithikum bis in die Latènezeit, wobei die Themenbereiche „Höhlen" und „Felstürme" sowie die beiden Höhensiedlungen Ehrenbürg und Staffelberg besonders akzentuiert werden. Zu den ältesten Funden zählen mittelpaläolithische Meisterwerke der Steinschlagtechnik, die Blattspitzen aus Kosten. Von den frühesten Bauern des Altneolithikums werden Siedlungsfunde aus Merkendorf, das Modell eines Langhauses sowie Steingeräte des Schlagplatzes von Eschlipp gezeigt. Der Motzenstein repräsentiert eine der wenigen bekannten schnurkeramischen Siedlungen. Hier wurden auch Steinäxte hergestellt, tönerne Miniaturäxte lassen auf rituelle Handlungen schließen. In das Endneolithikum datieren ferner fein verzierte Glockenbecher von Kersbach. Der große Depotfund aus Serlbach mit bronzenen Beilen und Lanzenspitzen leitet die Abteilung Bronzezeit ein. Hier sind vor allem Waffen, darunter auch die Nachbildung der karpatenländischen Zeremonialaxt aus Weikenbach, ausgestellt, außerdem Schmuck aus Bronze. Aus dem urnenfelderzeitlichen Gräberfeld von Grundfeld sind Frankens älteste Haubentracht, die ersten Ringe aus Gold sowie Perlen aus Glas überliefert. Als regionaltypisch gelten die rätselhaften Zeichensteine von Grabeinfassungen. Die zahlreichen und qualitätvollen Waffenfunde von der Heunischenburg weisen auf die militärische wie auch kultische Bedeutung dieser kleinen urnenfelderzeitlichen Burganlage hin. Die Eisenzeit ist mit herausragenden Grabfunden vertreten, darunter die Wagenbeschläge aus Kemmathen sowie das Tonpferd und die „Tonstempel" aus Prächting.

Besondere Beachtung erfahren Höhlen als heilige Orte, so Jungfernhöhle, Felsenloch, Esperhöhle oder Dietersbergschacht mit ihren Bestattungen aus dem Altneolithikum, der Urnenfelder- und Eisenzeit. Ebenfalls als heilige Orte angesprochen werden die imposanten Felstürme Motzenstein und Großer Rothenstein, an denen zu verschiedenen Zeiten geopfert wurde. Ein eigener Raum ist der befestigten Anlage auf der Ehrenbürg gewidmet. Hier ist besonders die Urnenfelderzeit mit außergewöhnlichen Weihefunden, wie z. B. einer großen Blattbügelfibel, vertreten Abb. 4). Aus der Späthallstatt-/Frühlatènezeit werden unterschiedliche und sehr hochwertige Objekte aus Gruben gezeigt wie die bekannte Schnabelkanne aus Keramik. Vom Staffelberg stammen die meisten der ausgestellten Funde aus den befestigten früh- und spätlatènezeitlichen Siedlungen. Der Rundgang im ersten Obergeschoss endet mit spätkeltischen Glasfunden und Hinweisen auf Münzprägung aus dem Oppidum von Altendorf.

Im zweiten Obergeschoss setzt sich der Rundgang mit Funden vom germanischen Tieropferplatz bei Altendorf „Point" - darunter ein originales Hirschgeweih sowie ein breites Fibelspektrum - fort, der vom 2. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. frequentiert wurde. Ausgewählte Brand- und Körpergräber von Altendorf und Hirschaid illustrieren den Wandel der Grabsitten zwischen römischer Kaiserzeit und beginnendem Mittelalter (Abb. 264). Im Anschluss daran gewinnen die Besucher einen Überblick über alle frühfränkischen Grabfunde des 7. Jahrhunderts, die bislang aus Oberfranken bekannt sind. Ein Glanzlicht setzt hier die prächtige Scheibenfibel aus Neuses Grab l (Abb. 5), Zeugnis einer rheinischen Werkstätte wie auch des frühen Christentums an der Regnitz. Wie rasch sich Siedlungsspuren der Slawen verwischten, bezeugen assimilierte Grabfunde des 8.-10. Jahrhunderts aus Wirbenz - dies ein Ortsname frühslawischer Prägung. Einen besonderen didaktischen Schwerpunkt erfährt die Suche nach der karolingischen Königspfalz von Forchheim, die bislang nicht lokalisiert werden konnte.

Aus der reichen Burgenlandschaft Oberfrankens stammen vielfältige Exponate ritterlichen Lebens vom Turmberg bei Kasendorf, den „steinernen Häusern" bei Kronach-Friesen und von Burg Neideck, der einzigen modern untersuchten Anlage der Fränkischen Schweiz. In den beiden Münzschätzen von Weismain-Neudorf und Weismain-Wohnsig wird eine lokale Bedrohung greifbar, die bald nach 1290 zur Deponierung zweier mit zahllosen Silberpfennigen gefüllter Tongefäße in unmittelbarer Nachbarschaft führte (Abb. 6).

Außergewöhnlich gut erhaltene Funde aus Holz und Leder, etwa Trinkschalen und Schnabelschuhe, enthielt ein verfüllter Holzkastenbrunnen der Zeit um 1350 in Bayreuth. Vom klösterlichen Leben in Oberfranken zeugen Schmuckfußböden aus der Zisterzienserabtei Ebrach wie auch Renaissancekeramik aus dem aufgelassenen Augustinerchorherrenstift von Neunkirchen a. Brand. Volksglaube und Grabbrauchtum scheinen hingegen in zahlreichen Trachtbestandteilen sowie Devotionalien aus neuzeitlichen Gräbern von Seußling St. Sigismund auf. Der Rundgang schließt mit Relikten früher Glas-, Steinzeug- und Porzellanindustrie aus Fichtelberg, Creußen und Reichmannsdorf im Steigerwald. [Text von Karin Mansel und Arno Rettner]

Design: Gestaltungsbüro Gruppe Gut OHG, Bozen. - Lebensbilder: R. Mayrock, Kempten.
3D-Modelle: Fa. ArcTron 3D GmbH, Altenthann.

ArchäologieMuseum Oberfranken:
Kaiserpfalz Forchheim
Kapellenstraße 16
91301 Forchheim
Telefon (09191) 714327 oder 714384
Fax (09191) 714375
E-Mail: kaiserpfalz@forchheim.de 

Öffnungszeiten
Mai bis Oktober: Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr
November bis April: Mittwoch und Donnerstag 10-13 Uhr, Sonntag 13-17 Uhr
und nach Vereinbarung

[aus: Das Archäologische Jahr in Bayern 2008, S. 175 ff.]

=>  Ein virtueller Rundgang als Bildfolge (2009)
       in einem PICASA-Webalbum
 

 



Abb. 1:  Die Forchheimer Kaiserpfalz von Süden

 

 

 

 

Abb. 2: Impression aus dem Themenbereich
                                           "Frühgeschichte"

 

 

 

Abb. 3: Computeranimation der 'Bamberger Götzen'

 

 

 

 

Abb. 4: Blattbügelfibel von der Ehrenbürg

 

 

 

 

Abb. 5: Scheibenfibel aus Grab 1 von Neuses
[Abels-Voß: Selten und schön Nr. 115, S. 242]

 

 

 

 

Abb. 6: Münzfund von Weismain-Wohnsig

 

Fotos 4 + 6: D. Sch.


    nach oben         [home       =>  Rundgang als Bildfolge (2009) in einem PICASA-Webalbum       Dieter Schmudlach (D. Sch.): 20.11.2009